: Sammeltaxi statt Bus und Bahn
■ Studie: ÖPNV ist nur halb so schnell wie Autofahren ohne Parkplatzsuche / Bausenator: Vorrang für ÖPNV bleibt
Freie Fahrt für freie Bürger: „Der PKW erscheint in Bremen durch kein anderes Transportmittel ersetzbar. Benutzt man öffentliche Verkehrsmittel, sind die Reisezeiten etwa doppelt so lang wie im PKW. Das Auto ist aus subjektiver Sicht das Mittel der Wahl, wenn es gilt, von A nach B zu kommen.“ Zu diesem Schluß kommt das „Institut für Informatik und Verkehr“ an der Uni Bremen. Mit einer Studie „Reisezeitmessungen '93 für PKW und BSAG in Bremen“ fordern die Wissenschaftler ein „Verkehrs-System-Management“, das sich auf die bessere Auslastung des Autoverkehrs (“öffentlicher Individualverkehr“) anstelle des Vorrangs für den ÖPNV stark macht. Eine Watsche für die Bremer Verkehrspolitik gibt es noch dazu: Ein verbessertes ÖPNV-Konzept mache Busse und Bahnen auch nicht schneller. „Den ÖPNV nur des ÖPNV zuliebe zu fördern, ist nicht hinnehmbar.“
Untersucht haben die WissenschaftlerInnen die Fahrtzeiten auf 27 oft benutzten Strecken. Im ungünstigsten Fall waren die Testpersonen mit der BSAG 45 Minuten länger un
Sauseschnell ist man nur mit dem PKW, findet Professor HäfnerFoto: Tristan Vankann
terwegs als mit dem Auto, im günstigsten 10 Minuten. Im Schnitt waren sie in der Hauptverkehrszeit mit dem Auto zwischen 15 und 45 km/h schnell, mit Bus und Bahn nur zwischen 8 und 20 km/h.
Gemessen wurden in der vom
ADAC mitfinanzierten Studie die „Tür-zu-Tür“-Zeiten, was den ÖPNV klar benachteiligt. So gestand Klaus Haefner, Professor am Institut für Informatik und Verkehr, ein, daß die Untersuchung keine Zeit für die Parkplatzsuche berücksichtigt (“Wer zur Arbeit fährt, weiß, wo er parkt“) und sich die Abfahrtszeiten für die Parallelfahrten nicht nach den Fahrplänen richteten
(“Oft geht man ja zum Bus, ohne den Fahrplan zu kennen“).
Als Mittel gegen den Verkehrsinfarkt empfiehlt Haefner daher sein Modell des „Verkehrs-System-Management“ (VSM). Oberstes Ziel ist es, den Individualverkehr effektiver zu machen, und zwar über „Mitfahrgemeinschaften, Sammeltaxis und Bürgerbusse“. Gleichzeitig sollen Beschränkungen für die Unwilligen die „Akzeptanz der neuen Verkehrsdienste fördern.“
Eine „Vision, die nur schwer umsetzbar ist“ sagt Rainer Imholze, Sprecher der Bausenatorin. Er sieht das Ergebnis der Studie von der anderen Seite: „Das heißt doch, daß in Bremen der Individualverkehr so gut fließt wie in wenigen anderen Städten.“ Natürlich sei es ein Ziel, die PKW-Belegung mit „im Schnitt 1,3 Personen“ zu vergrößern — aber wie? „Das ist doch auch ein psychologisches Problem, daß die Leute gern allein im Auto sitzen, weil sie ihre Ruhe haben wollen.“ Haefners Ideen seien bekannt, aber im Alltag müsse man sich mit „knallharten Fakten“ rumschlagen: „Der Vorrang für den ÖPNV bleibt.“
Auch vom Bund für Umwelt und Naturschutz kommt Kritik. In den Hauptverkehrszeiten sei die Straßenbahn allemal schneller als das Auto, wenn sie eine eigene Spur habe, meinte Derk Dreyer. Außerdem fehle in der Studie eine Rechnung über die Umweltbelastungen durch die Autos: „Ein realer Benzinpreis von fünf Mark pro Liter würde die Leute auf den ÖPNV bringen.“ Diese Vorschläge jedenfalls, findet der Umweltschützer, seien ein „Versuch, das Auto wieder für die Innenstadt attraktiv zu machen.“
Bernhard Pötter
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