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Gene und Politik manipuliert

Gentechniknovelle morgen im Bundesrat / Zwei SPD-regierte Länder stimmen vermutlich nicht dagegen / Erörterungstermine abgeschafft  ■ Von Annette Jensen

Berlin (taz) – „Wir denken bei der Entscheidung auch an BASF“, räumte ein Sprecher der sozialliberalen Landesregierung von Rheinland-Pfalz ein. Eine Verlagerung weiterer Produktionsstätten ins Ausland müsse verhindert werden. Deshalb wird Ministerpräsident Rudolf Scharping heute seine Hand nicht gegen das neue Gentechnikgesetz heben. Und auch der Ministerpräsident von Nordrhein- Westfalen, Johannes Rau, stimmt vermutlich nicht für die Anrufung eines neuen Vermittlungsausschusses; ihn dürften die Lobbyisten von Bayer mit einer Mischung aus Wehgeschrei und Drohungen beeinflußt haben. Damit könnte das novellierte Gentechnikgesetz wie geplant zum Anfang des nächsten Jahres in Kraft treten.

Beim Gentechnik-Gesetz von 1990 war die Industrie bereits Ghostwriterin gewesen. Die im Oktober vom Bundestag verabschiedete Novelle trägt jedoch noch deutlicher ihre Handschrift. Das weitverbreitete Mißtrauen in der Bevölkerung gegen gentechnische Manipulationen soll dadurch abgebaut werden, daß die Menschen einfach nicht mehr erfahren, was in ihrer Umgebung geforscht und produziert wird. Ein noch im ersten Entwurf vorgesehenes Register aller gentechnischen Anlagen, das für jedermann und jedefrau einsehbar sein sollte, wurde schnell in die Schublade verbannt: Mit dem Hinweis auf mögliche Industriespionage konnte die Genlobby die Abgeordneten von dieser Idee abbringen.

Die Öffentlichkeit darf nicht mehr mitreden

Bei der Einrichtung neuer Anlagen der unteren beiden Sicherheitsstufen, die angeblich nur für völlig ungefährliche Verfahren gelten, haben die BürgerInnen künftig nicht mehr das Recht, ihre Bedenken bei einem Erörterungstermin vorzutragen. Die Herstellung von gentechnisch manipuliertem Insulin definieren die Gesetzgeber ebenso als unbedenklich wie das Herumfummeln an Bakterien für die Bier- und Hefeproduktion.

Und auch die Entscheidungen der Behörden werden durch eine extreme Verkürzung der Genehmigungszeiten eingeschränkt. Bisher hatten sie drei Monate Zeit, um sich ein Urteil zu bilden. Jetzt sollen die Beamten die Arbeit innerhalb eines Monats schaffen. Legen sie innerhalb dieser Zeit keinen Widerspruch ein, gilt die Anlage als genehmigt. „Im Grunde bräuchten wir mehr Personal“, so der Sprecher aus Rheinland-Pfalz. In Zeiten der Rezession bleibt das wohl nur ein frommer Wunsch. Allein die EG könnte den Gentechnikern hier noch in die Parade fahren, denn bisher schreibt die entsprechende Richtlinie eine Mindestfrist von 90 Tagen vor.

Besonders lästig war den ForscherInnen in der Industrie in letzter Zeit der Protest gegen Freisetzungsversuche. Bei allen drei bisher in Deutschland offiziell durchgeführten Auspflanzungen genmanipulierter Blumen und Gemüsestauden gab es massiven Widerstand. Rund 10.000 EinwenderInnen meldeten sich zu Wort. Um der Industrie künftig die Prozedur eines Erörterungstermins zu ersparen, flickte die Regierungskoalition noch kurz vor der Verabschiedung im Bundestag einen entsprechenden Passus in das Gesetz ein. Die BürgerInnen haben künftig lediglich das Recht, ihre Bedenken schriftlich abzuliefern. Danach dürfen sie dann auf einen Brief warten, in dem ihnen mitgeteilt wird, ob und wie ihr Statement die Entscheidung der Behörde beeinflußt hat.

Zwar gab es aus den Reihen der SozialdemokratInnen Schelte wegen der Nacht-und-Nebel-Aktion, mit der der Gesetzentwurf erweitert wurde. Aber letztlich enthielten sich dann doch fast alle SPD- Abgeordneten. Das windige Argument, der Standort Deutschland könne nur mit solchen Gesetzen gesichert werden, grassiert auch bei der Opposition. Dabei haben verschiedene Untersuchungen längst belegt, daß die Genindustrie anderswo keineswegs laschere Bedingungen vorfindet. Ihre millionenteure Werbekampagne, die eben dies suggerieren wollte, zahlt sich somit für die Auftraggeber voll aus.

Daß der Industrie nicht ihr gesamter Wunschzettel erfüllt wurde, liegt vor allem an der EG. Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer war zwar im Sommer bei seinen Amtskollegen vorstellig geworden, um eine Angleichung des europäischen Rechts an die deutschen Vorgaben zu erreichen. Die Gentechniker hatten ihm vor allem zugeflüstert, daß sie die Einrichtung von Produktionsanlagen der untersten Sicherheitsstufe gerne künftig nur noch melden würden, anstatt noch auf die behördliche Genehmigung warten zu müssen. Aber da gaben sich insbesondere die Niederlande und Dänemark bisher kompromißlos.

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