: Fleischlos glücklich?
■ Eine Verlaufsstudie belegt, daß vegetarische Ernährung bei Kindern nicht zu Mangelerscheinungen führt
Nach dem letzten Fleischskandal stellt sich für viele Menschen die Frage, ob sie auf Fleisch künftig ganz verzichten wollen. Besonders schwer wird diese Entscheidung den Eltern gemacht.
Viele Ärzte ziehen mit den Krankenkassen und Herstellern fleischhaltiger Fertigkost an einem Strang, um die Gefahren von Unterversorgung und Mangelernährung an die Wand zu malen. Demgegenüber stehen die überzeugten Vegetarier, die mit nicht weniger Eifer die gesunderhaltende Kraft pflanzlicher Kost verteidigen. Zwischen diesen Fronten ein paar dogmatisch unbelastete Informationen zu bekommen, ist nicht ganz einfach.
Zunächst einmal wird zwischen veganischer Ernährung ohne tierisches Eiweiß, lacto-vegetarischer mit Milchprodukten und ovo-lacto-vegetarischer Ernährung, die auch Eier erlaubt, unterschieden. Der völlige Verzicht auf tierisches Eiweiß wird unter anderem mit dem gehäuften Auftreten von Allergien begründet. Besonders bei Neurodermitis besteht der Verdacht, daß sie durch allergische Reaktionen auf Milcheiweiß ausgelöst wird.
Bei einer zur Zeit in Süddeutschland laufenden Fünf-Jahres-Verlaufsstudie ergab sich, daß bei den untersuchten 386 vegetarisch und veganisch ernährten Kindern keine Mangelernährung nachzuweisen war. Der durchführende Arzt aus Ludwigshafen, Dr. med. Germar Büngener, untersuchte dabei die Wachstumskurve im Zusammenhang mit genauen Ernährungsprotokollen, wobei nachlassendes Wachstum als Zeichen von Mangelernährung interpretiert worden wäre.
Die Hauptargumentation der Vegetarismusgegner, den Kindern würden bei fleischloser Ernährung zu wenig Eiweiß und Eisen zugeführt, konnte damit widerlegt werden. Laut Germar Büngener hat ein Kind im Kindergartenalter mit 35 g Käse und 60 g Haferflocken am Tag bereits seinen gesamten Eiweißtagesbedarf gedeckt. Das noch fehlende Rest-Lysin (eine Aminosäure, die vorwiegend in Hülsenfrüchten vorkommt) würde zum Beispiel durch 13 g Sojamehl gedeckt, das in Sojamilch, -nudeln und -brot enthalten ist. Auch die Eisenversorgung kann allein über pflanzliche Nahrung gewährleistet werden. Äußerst wichtig ist dabei, auf die Ausgewogenheit zwischen Getreide, Hülsenfrüchten, Gemüse und Obst zu achten.
Frau Mühring vom Hamburger „Forschungsprojekt Ernährung und Erziehung“ warnt in diesem Zusammenhang vor Pudding-Vegetariern, die zwar auf Fleisch verzichten, aber andere ungesunde Lebensgewohnheiten beibehalten. Auch sollte neben Eisen und Eiweiß die ausreichende Versorgung mit dem Vitamin B 12 bedacht werden. Das ist in milchsauer eingelegtem Gemüse und fermentierten Sojaprodukten wie Tempeh, Miso und Soja-Sauce enthalten. Und bei Stoffwechselstörungen sollte sowieso ärztlicher Rat für eine Ernährungsumstellung eingeholt werden.
Ganz so einfach scheint sie also nicht zu sein, die vollwertige, fleischlose Ernährung - wer möchte schon immer Nährwerttabellen studieren? Es gibt allerdings mitlerweile eine große Auswahl an Vollwertkochbüchern, auch für Kinderkost, in denen die richtige Zusammenstellung der Nahrungsmittel schon berücksichtigt ist. Ausprobieren kann man ja ganz ohne ideologischen Anspruch - Haupsache, es schmeckt!
Bettina Meinecke
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