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Viel Atomstrom in Hannover

■ Prozenttricksereien bei den Berechnungen / BiU wirft Stadtwerken falsche Angaben vor

Hannover Der Atomstromanteil im hannoverschen Netz ist höher als die Stadtwerke AG öffentlich zugeben. Dies wirft die Bürgerinitiative Umweltschutz (BiU) dem kommunalen Energieversorger vor. In Wahrheit flössen 21 statt der bisher bekannten 15% Atomstrom in den hannoverschen Leitungen.

Die Rechnung der BiU begründet sich im sogenannten „Als-ob-Bezug“ aus dem in der nähe von Peine gelegenen Kraft Mehrum. Zur anderen Hälfte gehört dieses der PreussenElektra (PREAG) und wird auch von ihr betrieben. Die andere Hälfte teilen sich die Stadtwerke Hannover mit zwei Drittel und die Braunschweiger Versorgungs AG mit einem Drittel.

Hat die PREAG in ihrem Netz einen Stromüberschluß, schaltet sich das Kraftwerk Mehrum ab, die Atomkraftwerke liefen in der Grundlast weiter. Der Strom, der dann aus Mehrum in das hannoversche Netz eingespeist wird, zählt in der Energiebilanz der Stadtwerke so, „als-ob“ er in Mehrum produziert worden wäre. In Wahrheit komme er aber aus dem Verbundsnetz der PREAG. Da die in ihrem Netz etwa einen Atomstromanteil von 60% habe, erhöhe sich der atomar erzeugte Sromanteil in den hannoverschen Leitungen auf 21%.

„Die Stadtwerke müssen raus aus der Atomkraft“, so BiU- Sprecher Ralf Goldmann, „und zwar vollständig“. Doch diese Worte hört man im schräg gegenüber dem Umweltschutz-Zentrum der BiU gelegenen Stadtwerke-Hochhaus nicht gern. Derzeit kommen 25% des Stroms von der PREAG und der Vorstand möchte nach dem Auslaufen des Liefervertrages in sechs Jahren weiterhin 10% vereinbaren. Allerdings steht dieses Ansinnen im Gegensatz zu den Beschlüssen des Stadtrates. Der hatte bereits 1986, unter dem Eindruck von Tschernobyl, den Atomausstieg des kommunalen Energieversorgers beschlossen. Im Frühjahr hat der Umweltausschuß des Rates mit dem Beschluß über ein Strombeschaffungskonzept im Jahre 2000 den Austieg noch einmal bekräftigt.

Inzwischen hat der Stadtwerkevorstand mehrfach betont, daß er ohne eine aktienrechtliche Anweisung des kommunalen Eigners nichts unternehmen werde. Um dieser Anweisung, die zwar vom Umweltausschuß beschlossen, aber von Oberstadtdirektor Jobst Fiedler nicht ausgeführt wurde, doch noch zu entgehen, haben die Stadtwerke bereits ein verstecktes Kompromißangebot gemacht: Der Vertrag mit der PREAG soll eine „Regelleistung“ beinhalten. Spitzbübisch wird dies als null-Prozent-Variante verkauft, obwohl dabei 3-5% PREAG-Strom in das hannoversche Netz fließen soll. „Augenwischerei“ nennt Goldmann die Regelleistung. „Das ist nichts anderes als ein fester Bezugsvertrag in variabler Höhe.“

Stadtwerke-Sprecher Helmut Laier bestritt den „Als-ob-Bezug“ zwar nicht, wies die Vorwürfe der BiU trotzdem zurück. Das Kraftwerk liefe, wenn ein AKW stilliege. Deshalb bliebe der Atomstromanteil bei rund 15 Prozent. Helmut Nettermann

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