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“Interessentenlösung“ für Lemwerder?

■ Niedersachsen will einsteigen / Heute soll erstes erklagtes Flugzeug kommen / Dasa hat Berufung eingelegt

Das Beispiel „Interessentenlösung“ macht in Bremen und Niedersachsen Schule: Nach der Idee, die Bremer Klöckner-Hütte von ihrer Konzernzentrale in Duisburg loszueisen und in bremischer Verantwortung weiterzuführen, plant die niedersächsische Landesregierung einen ähnlichen Vorstoß für das Airbus-Werk in Lemwerder. Ministerpräsident Gerhard Schröder (SPD) erklärte am Samstag, notfalls werde das Land zum Erhalt des Standortes und der 1.200 Arbeitsplätze nicht nur durch indirekte Zahlungen Unterstützung leisten. „Der Wille zu helfen reicht bis zur Mitübernahme von unternehmerischer Verantwortung“ erklärte Schröder (siehe auch Seite 6).

Die Belegschaft in Lemwerder erwartet für heute den ersten von insgesamt 13 Airbussen der Lufthansa, deren Umrüstung in Lemwerder per Klage vor dem Arbeitsgericht Oldenburg erstritten worden war. Das Gericht hatte die Dasa-Zentrale dazu verdonnert, die Aufträge wie geplant in Lemwerder abzuwickeln, da der Betrieb zu kurzfristig über die Verlagerung informiert worden war. Die Konzernspitze in München hatte sich Ende vergangener Woche bereiterklärt, der gerichtlichen Aufforderung nachzukommen. Inzwischen hat sie aber bei der nächsten Instanz in Hannover Berufung eingelegt, um die Wartungsarbeiten doch wie geplant nach München verlegen zu können. „Uns wäre es am liebsten, wenn die Verhandlung erst in sechs Monaten wäre“, sagt Betriebsrat Karl-Heinz Volkmann, „aber es wird wohl in den nächsten zwei bis drei Wochen dazu kommen.“

Neben dem Land Niedersachsen sucht der Betrieb in Lemwerder noch Firmen, die sich dort engagieren wollen. Mit der Firma Ruschmeyer, die kleine Flugzeuge baut, und der Hapag-Lloyd sei bereits verhandelt worden, sagt Volkmann. Eine Loslösung von Dasa sollte nach seiner Ansicht allerdings langsam stattfinden: Erst müsse eine eigene Infrastruktur aufgebaut werden, um Aufträge an Land zu ziehen. Die Dasa-Zentrale hat inzwischen die Akquisition von Verträgen für Lemwerder konzernintern gestoppt.

„Dabei wollte Hapag-Lloyd sich mit einem Wartungsvertrag für zehn Jahre an uns binden“, sagt Volkmann. Mit den 13 Lufthansamaschinen und der Wartung von Transall-Flugzeugen der Bundesluftwaffe sei das Werk für zwei Jahre ausgelastet. „Die Fluggesellschaften kommen zu uns und sagen: „Wir wollen weiter mit Euch arbeiten“, aber die Geschäftsführung will uns die Beine weghauen,“ sagt Volkmann. Die Belegschaft sei motiviert, es werde an den Wochenden gearbeitet, Überstunden würden gemacht: „Keiner läßt die Flügel hängen, nur die Geschäftsleitung stört.“

Als selbständiger Betrieb hätte Lemwerder eine gute Überlebenschance, meint auch Niedersachsens Wirtschaftsminister Peter Fischer (SPD). Vor dem Gipfeltreffen der fünf Ministerpräsidenten mit der Konzernspitze solle Dasa keine weiteren „vollendeten Tatsachen“ schaffen. Als Dasa-Tochter würden etwa die Hälfte des Stundensatzes von 136 Mark an die Zentrale als Umlage für Forschung und Entwicklung im gesamten Konzern gezahlt — ein selbständiges Unternehmen könnte das Geld behalten.

Die niedersächsiche FDP hat den Vorschlag einer Landesbeteiligung an Lemwerder abgelehnt. Sie verspreche keine Erfolg, und ein Subventionswettlauf mit Bayern helfe niemandem, erklärte der Landesvorsitzende Stefan Diekwisch am Samstag in Oldenburg. Allerdings solle der Bund als Auftraggeber der Wartungsverträge für die Transall-Maschinen der Luftwaffe prüfen, ob die geplante Verlagerung nach Manching „kostenneutral“ sei. Der Bund müsse auf einer fristgerechten Modernisierung beharren, die in Lemwerder möglich sei, sagte Diekwisch. Bernhard Pötter

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