: Klöckner: Angst vor den „Plattmachern“
■ Bremer Hütte unter Druck / „Thyssen-Lösung“ im Klöckner-Aufsichtsrat auf der Tagesordnung
Betriebsrat und Belegschaft von Klöckner waren gestern in heller Aufregung: „Die europäischen Stahlkonzerne wollen hier unter allen Umständen die Bremer Hütte schlachten“, so Eike Hemmer vom Betriebsrat. Im Konferenzraum wurden schon wieder neue Kampfplakate gemalt, und morgen wollen 800 bis 1.000 Klöckneraner dem Aufsichtsrat in Duisburg bei seiner entscheidenden Sitzung über die Zukunft der Hütte zeigen, wo es langgeht: „Wir erwarten eine klare Festlegung auf das Bremer Interessentenmodell“, so Hemmer. Dieselbe Forderung stellte auch Senator Fücks auf einer außerordentlichen Klöckner-Betriebsversammlung gestern morgen auf, als er gemeinsam mit Wirtschaftssenator Jäger der Belegschaft Mut zusprach.
In Bremen war der Eindruck verbreitet worden, die „Bremer Interessentenlösung“ für die Herauslösung der Hütte aus dem Klöckner-Konzern sei mit dem Vertragsentwurf schon halb beschlossen. Am Montag abend wurde aber bekannt, daß auf der morgigen Aufsichtsratssitzung der Klöckner Werke AG wohl kein eindeutiger Beschluß gefaßt werden wird. Der massive Druck der Stahlbarone von der Ruhr macht sich bemerkbar: Die Betriebsräte gehen davon aus, daß wieder das Angebot des europäischen Stahlkonsortiums unter Führung von Thyssen favorisiert werden könnte. Dies sieht die Stillegung der Hütte mit Ausnahme des Kaltwalzwerkes und der Verzinkungsanlage BREGAL vor. Thyssen würde dafür 200 Millionen Mark an die Klöckner-AG zahlen.
„Die Landesregierung wird vereint mit politischen, wirtschaftlichen und gewerkschaftlichen Kräften dieser Stadt alles daran setzen, die Durchsetzung Ihres Vorhabens zu verhindern“, so hatte Wedemeier wörtlich am Wochenende in einem Brief an Thyssen-Chef Kriwet geschrieben. Der Druck der Hochfinanz verstärkt sich aber, je näher die Entscheidung rückt. Wird Klöckner mit Bremer Landeshilfe gerettet, dann werden die anderen europäischen Stahlkonzerne weiterhin eine harte Konkurrenz haben, die zudem durch den Vergleich finanziell saniert ist. Wird die Hütte stillgelegt, dann hätte sich die Branche bequem einiger Kapazitäten entledigt, und Thyssen würde die Stillegungsprämien der EG kassieren.
Wie ernst die Stahlchefs von der Ruhr die Bremer Konkurrenz nehmen, zeigte ihr Blitzbesuch im Bremer Rathaus am vergangenen Freitag (vgl. taz 6.11.) Wedemeier schrieb dem Thyssen-Chef nach dem Gespräch, er sei weiterhin davon überzeugt, daß mit dem Angebot „ein Tod auf Raten der Klöckner-Stahl GmbH in Bremen vorprogrammiert“ werde, zumal Kriwet davon gesprochen habe, auch das Kaltwalzwerk in Bremen sei „mathematisch nicht nötig“.
Nach dieser Abfuhr spannte Kriwet offenbar die Deutsche Bank ein, welche sowohl die Hausbank der Klöckner-Werke als auch die des mächtigen Thyssen-Konzerns ist: Die Deutsche Bank favorisiert das Thyssen-Modell.
Der Vorschlag, den der Klöckner-Vorstand am Montag abend für den Aufsichtsrat der Klöckner-AG ausgearbeitet hat, sieht nach Informationen des Betriebsrates so aus: Das „Bremer Interessentenmodell“ soll nur dann beschlossen werden, wenn bis zu einer bestimmten Frist in Kürze mit dem Thyssen-Konsortium keine Einigung erzielt werde.
Susanne Kaiser
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