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Buchbombe für ehemaligen Neonazi

■ Sprengsatz für Aussteiger Ingo Hasselbach wurde entschärft

Auf das ehemalige Führungsmitglied der rechtsextremen „Nationalen Alternative“ (NA), Ingo Hasselbach, ist ein Sprengstoffanschlag versucht worden. Der 26jährige aus Ostberlin hatte im Frühjahr seinen Ausstieg aus der Szene bekanntgegeben. Erst vor wenigen Wochen war im Aufbau-Verlag sein Buch „Die Abrechnung – ein Neonazi steigt aus“ erschienen, das er zusammen mit dem Regisseur Winfried Bonengel verfaßt hatte.

Nach Informationen der Polizei fand am Mittwoch die Mutter von Hasselbach im Postbriefkasten ihres Wohnhauses in Lichtenberg in einem DIN-A4-großen, wattierten Umschlag ein Buch, aus dem Drähte herausragten. Die Sendung sei an ihren Sohn adressiert gewesen und durch die Bundespost befördert worden.

Während der Entschärfung des Sprengsatzes am selben Abend mußten mehrere Wohnungen des Hauses geräumt werden. Über die potentielle Wirkung der Bombe wollte der Staatsschutz gestern keine Auskunft geben. Die kriminalistischen Untersuchungen hielten noch an, so ein Polizeisprecher zur taz. Wer hinter dem Anschlagsversuch steht, ist bislang noch unbekannt – gestern lag noch kein Bekennerschreiben vor. Hasselbach selbst, der sich angeblich im Ausland aufhalten soll, meldete sich gestern telefonisch bei seinem Verlag. Er vermute einen Racheakt der rechtsextremen Szene, so der Verlag.

In den letzten Monaten hatte der Ex-Neonazi wiederholt von Drohungen aus der rechten und linken Szene berichtet. So erklärte er im Juni dieses Jahres gegenüber der taz, daß nach seinem Ausstieg ehemalige Gesinnungsfreunde seine Mutter tyrannisierten; auch sei seine Schwester verprügelt worden. Auch von Linken wurde er tätlich angegangen. Im September war er zusammen mit seiner Freundin nach dem Besuch einer indischen Gaststätte von Unbekannten in einem Hausflur in Kreuzberg angegriffen worden. In einem Interview mit der Wochenpost vom Oktober dieses Jahres vermutete er hinter der Aktion eine Tat von Autonomen. Sie kauften ihm seinen Ausstieg nicht ab, so Hasselbach damals. Nach der Tat tauchten in Kreuzberg nicht gezeichnete Flugblätter auf, mit denen der Überfall auf Hasselbach in der Lausitzer Straße gerechtfertigt wurde. Der Ostberliner, der auch Mitglied der NSDAP/Auslandsorganisation war, hatte bis zu seiner Abkehr von der rechten Szene maßgeblichen Anteil am Aufbau neonazistischer Strukturen in den neuen Bundesländern. Vor drei Jahren gehörte er zu jener Gruppe von Rechtsextremisten, die in der Ostberliner Weitlingstraße ein Haus besetzten. Severin Weiland

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