: Das lange Ohr der Computer-Freaks
■ Cityruf-System der Telekom geknackt / Chaos Computer Club wilderte mal wieder erfolgreich im Daten-Dschungel
Dem Hamburger Chaos Computer Club (CCC) ist erneut ein aufsehenerregender Coup gelungen: Das angeblich abhörsichere Cityruf-System der Telekom wurde geknackt. Das berichtet die Hamburger Zeitschrift „a la Card Journal“, ein Fachblatt für maschinenlesbare Kartensysteme. Zwei Vertreter des CCC demonstrierten in den Räumen der Redaktion, wie man mit Hilfe eines Personal Computers, eines Ultrakurzwellenempfängers und einer simplen Software die per Cityruf ausgesendeten Nachrichten auf dem Computerbildschirm im Klartext darstellen kann.
Der CCC hatte zum ersten Mal 1984 für helle Aufregung gesorgt, als seine Mitglieder Steffen Wernéry und Wau Holland in den Datenbestand der Hamburger Sparkasse eindrangen und – zu Demonstrationszwecken – Geldtransfers tätigten. Zu den Anliegen der „Anarcho-Computer-Freaks“ gehört unter anderem die Aufklärung über die vermeintliche Datensicherheit von Computernetzen.
Nun fingen die „Card-Ware“-Experten des CCC, Peter Laackmann und Markus Jahnke, zwei Tage lang in den Räumen der Redaktion Cityruf-Nachrichten ab. In einem Fall handelte es sich um einen Hinweis eines Kurierdienstes auf vertrauliche Dokumente einer Rechtsanwaltskanzlei, die man aufgrund dieser Angaben hätte entwenden können.
Der Hamburger Telekom-Sprecher Hans-Joachim Brinckmann erkärte, es habe in der Vergangenheit „schon öfter Hinweise auf angebliche Sicherheitslücken“ gegeben, die sich dann „nicht bewahrheitet“ hätten. Die Telekom sei aber prinzipiell bereit, sich vom Chaos Computer Club das Experiment vorführen zu lassen. „Wir sind ja daran interessiert, tatsächliche Sicherheitslücken zu schließen.“
Peter Rohde, zuständiger Projektmanager des Bonner Postunternehmens De Te Mobil, das den Mobilfunkbereich der Telekom betreut, räumte dagegen ein, daß der Cityruf-Dienst prinzipiell abgehört werden kann. Dies erfordere aber einen erheblichen technischen Aufwand. Bei dem notwendigen speziellen Ultrakurzwellen-Empfänger handele es sich zudem „um eine nicht genehmigungsfähige Empfangsanlage, die in Deutschland nicht betrieben werden darf.“ An dem Cityruf-System, mit dem kurze Texte an kleine mobile Empfänger (sogenannte Pager) übertragen werden, nehmen in Deutschland schätzungsweise 600.000 Telekom-Kunden teil. Bislang hat die Telekom stets behauptet, die Cityruf-Nachrichten seien absolut vertraulich und abhörsicher. Nun wird überlegt, so Rohde, in den neuen Unterlagen zum Cityfunk die Kunden darauf hinweisen, daß das Cityruf-Signal „im Prinzip mit sehr hohem technischen Aufwand“ abgehört werden kann. smv
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen