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Gegen die „Schwarzen“ Moskaus

■ Bürger der GUS-Staaten, die die russische Hauptstadt besuchen, benötigen seit heute eine polizeiliche Anmeldung

Moskau (taz) – Der Moskauer Bürgermeister Jurij Luschkow will die russische Hauptstadt von „fremden Elementen befreien“. Ab heute gilt in der Zehn-Millionen-Metropole ein „Sonderaufenthaltsregime für die Bürger des ,nahen Auslands‘“. Wollen Besucher aus den GUS-Republiken länger als 24 Stunden in Moskau bleiben, so müssen sie sich anmelden und eine Aufenthaltserlaubnis beantragen. Dafür braucht man eine schriftliche Zustimmung der Gastgeber. Doch dem nicht genug: Das Recht Moskauer Luft zu atmen, kostet pro Tag zehn Prozent des Mindestmonatslohnes. Verstößt man gegen die neue Verordnung, wird das mit fünf Mindestlöhnen geahndet, ein wiederholtes Zuwiderhandeln kostet fünfzig Monatslöhne und wird darüberhinaus mit der Ausweisung aus der Stadt bestraft.

Die Verordnung der Moskauer Stadtregierung soll angeblich der Bekämpfung der wachsenden Kriminalität dienen. In Wirklichkeit aber ist sie eine Fortsetzung der Deportationspolitik, die ihre Blütezeit während des Ausnahmezustandes nach dem Putsch Anfang Oktober erlebte. Damals sprach man zurecht von „ethnischen Säuberungen“: Die Leute, die irgendwie nicht russisch aussahen, wurden auf der Straße von mit Kalaschnikows bewaffneten Polizisten festgenommen, durchgesucht, ins Revier gebracht und – falls sie keine Moskauer „Propiska“ (Anmeldung) hatten – aus der Stadt ausgewiesen.

Die Institution der Propiska ist ein Relikt aus der Ära Stalin. Damals durften die Leute ihren Wohnsitz nicht frei wählen. In jedem Personalausweis befand sich ein Stempel der Polizeidienststelle, und der Bürger durfte nur in der dort angegebenen Unterkunft wohnen. Großen Gruppen der Gesellschaft war es sogar untersagt, ohne amtliche Erlaubnis ihren Wohnort zu verlassen. Dies galt bis zum Ende der fünfziger Jahre unter anderem für die Kolchos-Bauern – fast wie die Leibeigenen der Zarenzeit wurden sie in ihren Dörfern festgehalten.

Die geltende Gesetzgebung betrachtet die Institution der Propiska als Verstoß gegen die Menschenrechte. Im Projekt der neuen Verfassung garantiert Artikel 27.1 die Bewegungsfreiheit. Dennoch halten die Bürgermeister vieler Großstädte an der Propiska fest. Auch sie rechtfertigen ihre Position mit dem „Kampf gegen kriminelle Elemente“ sowie mit Verweisen auf die Wohnungsnot.

Moskau ist keine weltoffene Stadt, und die Moskauer waren schon immer für ihre Arroganz und Xenophobie bekannt. Auf diesen haupstädtischen Chauvinismus stützt sich die populistische Politik des Moskauer Bürgermeisters. Statt die Probleme der Großstadt zu lösen, schlug er den einfachsten Weg ein. Man suchte und fand einen Sündenbock: Die „Personen kaukasischer Nationalität“. Im Volksmund heißen sie „Tschernije“, die Schwarzen. Der alltägliche russische Nationalismus will nicht zwischen Dutzenden von kaukasischen Völkern unterscheiden. Sie alle sind fremd und schon deswegen gefährlich, die „Schwarzhaarigen“ gelten als unkultiviert und geldgierig.

Ein in Moskau lebender turkmenischer Schriftsteller wurde während des Ausnahmezustandes festgenommen und von Polizisten der Antiterrortruppe brutal geschlagen. Bei einem Fernsehinterview sagte er: „Es mag sein, daß die Verstöße gegen die Menschenrechte durch die Bestimmungen des Notstandsgesetzes gedeckt sind. Dennoch werden sie üble Folgen haben. Die Russen in den moslemischen GUS-Staaten haben es schon jetzt nicht leicht. Was aber passiert, wenn die ausgewiesenen ,Schwarzen‘ zu Hause erzählen, wie sie in Rußland behandelt wurden?“ In den ehemaligen Sowjetrepubliken leben zwanzig Millionen Russen. In der Ukraine und in Nordkasachstan gibt es ganze Gebiete, in denen nur Russen siedeln. In Mittelasien kann man bereits Slogans hören wie: „Russen, kehrt nicht nach Hause, wir brauchen Sklaven“.

Bereits heute leben 10.000 Flüchtlinge in Moskau – gar nicht soviel für eine Zehnmillionenstadt. Nach dem letzten Bericht des Immigrationsdienstes der russischen Regierung fanden in diesem Jahr rund zwei Millionen Menschen politisches Asyl in Rußland. Man rechnet mit sechs weiteren Millionen während der nächsten zwei Jahre. Ministerpräsident Tschernomyrdin unterstützt die Idee des Immigrationsdienstes, Visa für die Bürger der ehemaligen Sowjetrepubliken einzuführen. Moskau ist lediglich ein Testfeld für die neue Asyl- und Immigrationspolitik. Boris Schumatsky

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