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Endlich: Kohl zeigt Deng, wie man Reis mit dem Löffel ißt Von Mathias Bröckers

Scheiß auf den Himmlischen Frieden: Wenn Exportrückgang und Konjunkturtief drücken und die Kassen leer zu werden drohen, muß der Große Vorsitzende eben nach China.

Menschenrechteln läßt sich ja auch prima anderswo: sei es, daß man mit gnadenlosem Wirtschaftsboykott die Weltmacht Haiti zur Räson bringt oder mit schwer humanem Militärwehreinsatz den afrikanischen Riesen Somalia zur Ordnung ruft. Wenn im Fürstentum Liechtenstein die öffentliche Prügelstrafe wiedereingeführt werden sollte, können wir sicher sein, daß die Bundeswehr die Menschenrechte unverzüglich wieder herstellt. Bei zwei Milliarden Chinesen sieht die Sache natürlich anders aus: Die können einfach nicht irren, selbst wenn sie ihre Oppositionellen niedermetzeln und ins Arbeitslager stecken oder Kolonien wie Tibet martialisch unterdrücken. Denn: Diese zwei Milliarden Chinesen haben kein Auto, kein Fernsehen und keine Waschmaschinen – ein Kunden-Potential, das jedem Wirtschaftsführer eine Erektion vom Ausmaß der Chinesischen Mauer verschafft.

Bei so viel Verkauflust rückt die Frage, ob dort denn auch alles mit menschenrechten Dingen zugeht, naturgemäß in den Hintergrund. Im übrigen ist ja ganz klar, daß unser großpfälzischer Sultan die Sache natürlich mal ansprechen wird – selbstverständlich, ohne die Kreise der „hochrangigen Wirtschaftsdelegation“, die ihn begleitet, damit irgendwie zu stören. Schließlich ist man nicht als Unterhändler des Schönen und Guten gekommen, sondern als Klinkenputzer fürs Bare: Ein Milliarden- Auftrag muß schon dabei rumkommen. Und wenn der Dicke den jovialen, verläßlichen Partner mimt und ansonsten auf Kultur macht, wird schon nichts schiefgehen.

Wie immer, wenn der Kanzler im fernen Ausland weilt, müssen wir jetzt wieder Bild lesen, schon gespannt, was nach der Großtat vom letzten Mal („Kohl zeigt den Indern, wie man Glühwein macht“) dieses Mal an kulturnationaler Missionsarbeit zu gewärtigen ist. Wird Kohl Deng endlich zeigen, wie man Reis mit dem großen Löffel ist? Am Montag jedenfalls schon mal ein klasse Einstieg in die Bild-Chinoiserie: „Monster Mao – Er fraß Menschen, schändete Kinder.“ Wortlaut: „Mao hatte 5 Ehefrauen, 9 Nebenfrauen. 21 Sekretärinnen mußten mit ihm Sex machen. – Mao wollte immer wieder Gruppensex. Jede Woche ließ er sich 4 Teenager ins Schlafzimmer bringen. Bedingung: Jungfrauen. – Entjungfern war seine Spezialität, berichtet Leibarzt Dr. Li. – Im Bürgerkrieg aß er die Leichen seiner Gegner auf, erzählt ein früherer Rotgardist. Er wollte sie auch noch nach dem Tod beleidigen.“

Tja, da ist unser Adolf ja geradewegs nichts gegen so ein kannibalisches Mao-Monster, und rechnet man die Millionen-Opfer der sog. Kulturrevolution ein...

Aber viel wichtiger ist eine andere Rechnung: was nämlich geschieht, wenn die deutschen Handelsvertreter im Reich der Mitte erfolgreich sind. Und eine Milliarde Chinesen demnächst morgens um sechs, statt aufs Fahrad zu steigen, die Benzinkutsche anwirft. Spätestens wenn im Land der aufgehenden Sonne dieselbe vor lauter Abgas nicht mehr zu sehen ist, wird der Westen merken, daß sein Lebensstil tödlich ist. Die Erde wird uns was husten.

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