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Erhaben und kläglich

■ Ein kleines moribundes Fernsehspiel

„Die Menschen sind wie Wölfe“, heute, 23 Uhr, ZDF

Die Engel über Berlin sind ausgeflogen. Den Gezeichneten auf Erden bleibt bloß noch die Selbstkasteiung. „In einem klobigen Körper wohnt ein Kobold“, greint das Faktotum Jakob (Jakob Klaffke) dem Pfarrer seines Vertrauens (Hans Martin Stier) zu. Der Herr hat ein Einsehen und verkuppelt ihn mit der aparten Agnieszka. Doch das ist dem Friedhofsrebellen auch nicht recht. Haltlos läßt er seine Lebenswut und die aufgestauten Außenseiter- Aggressionen an der demütigen Gemahlin aus, Agnieszka erduldet mariengleich ihr Schicksal – laute Gospelmusik hörend.

Als der Pfarrer nach einem Anstandsbesuch wieder davoneilt in die regnerische Nacht, spielt eine Rockband den Suicide-Blues. Jakob streckt wenig später sein Feuerzeug der Finsternis entgegen: „Die Menschen sind wie Wölfe“, erklärt er, und „die Toten sind immer um uns.“ So nimmt die moribunde Moritat vom Archaischen im Alltag eine melodramatische Wende. „Die Menschen sind frei“, bekennt der Pfarrer und schickt Agnieszka wieder fort. Jetzt erst beginnt Jakob, sie zu begehren.

Ein karges, unbehauenes Sozialdrama gravierte Andreas Christoph Schmidt ins Zelluloid. Das Erhabene und das Klägliche – wo läge beides näher zusammen als in der Szene, wo Jakob zu Verdis Tenorklängen einsam Dosenbier trinkt? Fast einstürzende Altbauten des Weltschmerzes, verregnete Großstadt-Tristesse – Beethovens „Bagatellen op. 126“ breiten sich aus. „Dahinter“, raunt Regisseur Schmidt, „verbirgt sich eine Besessenheit, die tiefer blicken läßt als die ,Neunte‘.“ Christian Berger

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