: Clintons Doppelstrategie von Seattle
Die US-Administration droht den Europäern auf der Apec-Konferenz mit pazifischer Kooperation, doch nicht zu laut / Beim Handel mit Japan und China keine Fortschritte ■ Aus Washington Andrea Böhm
Auf den ersten Blick erinnerten Kleider- und Sitzordnung an ein gruppendynamisches Seminar für Manager. Jeder im indidviduellen Freizeitdreß, hatten die Regierungschefs der Mitgliedsländer der „Asiatisch-Pazifischen Konferenz über wirtschaftliche Zusammenarbeit“ (Apec) – im großen Kreis und umgeben von indianischer Innenarchitektur – ein Ambiente, das schon so mancher Therapiegruppe auf die Sprünge geholfen hat.
Doch bei aller zur Schau getragenen guten Stimmung am Wochenende auf Blake Island bei Seattle erwiesen sich die Spannungen zwischen einzelnen Akteuren nicht atmosphärischer, sondern struktureller Art. Zwischen US- Präsident Bill Clinton und dem chinesischen Präsidenten und KP-Generalsekretär Jiang Zemin gab es zwar Gespräche und wirtschaftliche Good-Will-Gesten seitens der Amerikaner, doch keinerlei Zugeständnisse an China in Bezug auf seine Menschenrechtspolitik. Auch eine Verminderung des aus amerikanischer Sicht beklagenswerten Handelsbilanzdefizits mit China zeichnete sich in Seattle nicht ab.
China und Japan ohne Handels-Zugeständnisse
Auch vom japanischen Premierminister Morihiro Hosokawa bekam Bill Clinton nicht das zu hören, was er wollte: Die Ankündigung, daß die japanische Regierung Importrestriktionen für Reisimporte lockern wollte. Allerdings zeigte man seitens der Clinton-Administration Verständnis dafür, daß Hosokawa zuerst innenpolitische Reformschritte absichern will, und der Ausgleich der Handelsbeziehungen mit den USA noch etwas warten muß. Das US-Handelsbilanzdefizit mit Japan beträgt derzeit rund 50 Milliarden Dollar, das Handelsbilanzdefizit mit China wird für 1993 auf rund 23 Milliarden Dollar geschätzt.
Doch trotz dieser andauernden Konflikte darf Clinton das Apec- Gipfeltreffen für sich als Erfolg verbuchen. In der Abschlußerklärung stärkten ihm die asiatisch-pazifischen Länder, in deren Kreis am Wochenende auch Mexiko und Papua-Neuguinea aufgenommen wurden, den Rücken für die kommenden Gatt-Verhandlungen, bei denen es nach wie vor den Streit zwischen den USA und der Europäischen Union (EU) um Agrarsubventionen zu klären gilt. Die Europäer wurden aufgefordert mehr Zugeständnisse zu machen. Eigene Zugeständnisse im Landwirtschaftssektor schlossen die versammelten Regierungschefs aus. Man sprach sich statt dessen generell für eine Liberalisierung des Welthandels aus, erklärte sich selbst bereit, eine Reihe von Zöllen für Industrie- und Agrarprodukte zu senken, und sah vor allem galant darüber hinweg, daß Bill Clinton noch vor wenigen Tagen bei der – inzwischen erfolgreich abgeschlossenen – Debatte um die Ratifizierung des „Nordamerikanischen Freihandelabkommens“ (Nafta) den Zitrusfarmern daheim Schutz vor ausländischer Konkurrenz versprochen hatte.
Drohen und beschwichtigen
Gleichzeitig versuchte Clinton, Befürchtungen der Europäer zu begegnen, wonach sich die USA im Falle eines Scheitern der Gatt- Verhandlungen auf die Apec als regionale Alternative konzentrieren werde – eine Vision, die seine Administration gerne als Druckmittel Richtung EU einsetzt. Man habe Fortschritte auf dem Weg zu einem gemeinsamen Wirtschaftsraum gemacht, erklärte der US- Präsident, doch Apec solle kein Handelsblock werden, aus dem die „europäischen Freunde“ ausgeschlossen würden.
Noch muß man sich in Europa von der Apec-Runde nicht allzusehr beeindrucken lassen, die erst letztes Jahr in Singapur ein offizielles Sekretariat eingerichtet hat. Über dessen wirtschaftliche und politische Zukunft besteht unter den Mitgliedsländern Uneinigkeit. Manche kritisieren offen das US- Engagement als Bevormundung. Unter anderem aus diesem Grund war der malayische Premierminister Mohamad Mahathir dem Gipfeltreffen in Seattle demontrativ ferngeblieben.
Doch die in Seattle versammelten Staatschefs versuchen solchem Eindruck vorzubauen. Schon das nächste Treffen soll 1994 in der indonesischen Hauptstadt Jakarta stattfinden. Dann könnte sich der Kreis der Apec-Länder auch noch einmal vergrößern: Chile hat einen Antrag auf Aufnahme gestellt.
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