Züricher Gutachten schließt Mord aus

Die „wahrscheinlichste Variante“ für den Tod Wolfgang Grams' soll Selbstmord sein / Freispruch für die GSG 9: Beim tödlichen Kopfschuß sei „Fremdbeibringung praktisch ausgeschlossen“  ■ Von Wolfgang Gast

Berlin (taz) – Der Freispruch erfolgt im Umkehrschluß: „Es gibt somit aus unserer Sicht keine neuen Erkenntnisse, die zwingend gegen eine Selbstbeibringung des Nahschusses durch Grams sprechen würden.“ Mecklenburg-Vorpommerns Justizminister Herbert Helmrich (CDU) trägt am Samstag aus dem lang erwarteten Schlußgutachten des wissenschaftlichen Dienstes der Stadtpolizei Zürich vor. Das Wort „zwingend“ ist in der Presseerklärung des Ministers unterstrichen. Keiner soll zweifeln müssen: denn wenn nichts dagegen spricht, dann spricht alles dafür. Dafür, daß sich das RAF- Mitglied Wolfgang Grams bei der wilden Schießerei auf dem Bahnhof in Bad Kleinen am 27. Juni selbst erschossen hat.

Eine „lupenreine“ Rekonstruktion der Vorgänge werde es zwar nicht geben können, räumt Herbert Helmrich ein, auch, daß am Ende der Emittlungen nur eine „wahrscheinlichste Variante“ stehen wird – der böse Verdacht aber, daß Wolfgang Grams von Beamten der GSG9 noch am Ort seiner versuchten Festnahme regelrecht hingerichtet wurden, wird damit aus der Welt geschafft.

Wenigstens eine Zeugin, die Verkäuferin aus dem Bahnsteigkiosk, will zwar gesehen haben, wie Polizeibeamte aus nächster Nähe auf den bereits zwischen den Gleisen liegenden Grams geschossen haben. Doch auch hier wird sich im Zweifel wohl Schweizer Sachverstand durchsetzen. Die Züricher: „Aufgrund der als Kontaktspur interpretierten Blutspur an der Jacke des GSG-9-Beamten Nr. 6 halten wir eine direkte Fremdbeibringung der Nah-Schußverletzung durch diesen Beamten (exekutionsähnliche Handlung) für praktisch ausgeschlossen.“ Auch sei keiner der anderen fünf Schüsse, die Grams getroffen hatten, aus einer Entfernung unter eineinhalb Meter abgegeben worden.

Zweifelsfrei stammt nach Aussagen der Schweizer Gutachter der tödliche, aufgesetzte Kopfschuß aus der Waffe von Grams. Das gehe sowohl aus der „Stanzmarke“ an der Schläfe der Leiche hervor als auch aus dem Pulver und den Projektilen, die ebenfalls nur der Waffe von Grams zuzuordnen seien. Der wissenschaftliche Dienst der Stadtpolizei erörterte nach Helmrichs Angaben auch die Möglichkeit, ob „eine unfallmäßige Schußbeibringung zumindest denkbar“ wäre. Die Experten hätten sich aber nicht in der Lage gesehen, „dazu Feststellungen zu treffen“. Auf die Nachfrage, ob sicher sei, daß Grams seine Waffe bis zuletzt in der Hand hatte, muß Helmrich passen: „Dazu sagt das Gutachten nichts.“

Die Pannen in der Beweissicherung setzen sich nach Bad Kleinen nun auch in Zürich fort. Die Jacke des GSG-9-Beamten Nr. 6, von der Stadtpolizei als wichtiges Indiz für die Selbstmordthese angeführt, ist „nach Abschluß aller Untersuchungen abhanden gekommen“, vermutlich gestohlen worden. Die Ermittlungen zum Verbleib der Jacke dauern noch an.

Das Ermittlungsverfahren gegen die beiden GSG-9-Beamten soll nun in ein bis zwei Monaten abgeschlossen sein. Dann soll über Anklageerhebung oder Einstellung entschieden werden. Das Ergebnis steht heute schon fest.