Einbaum und eine Burg im See

■ Archäologische Sensation in Ostholstein / 1000 Jahre alte Siedlung entdeckt   Von Konrad Dittrich

Seit Jahrzehnten ärgerten sich die Fischer auf dem Kleinen Pönitzer See, daß ihre Netze unter Wasser oft hängenblieben und zerrissen. Was ihnen ein Dorn im Auge war, führte Unterwasserforscher jetzt zu einer Sensation. Im dem See im Hinterland des Ostseebades Scharbeutz entdeckten sie eine slawische Siedlung, die rund tausend Jahre alt ist.

Neben zahlreichen Funden an Töpfen, Keramik, Werkzeugen, Knochen und Speiseresten fanden sie auch einen nahezu unversehrten mehr als fünf Meter langen Einbaum aus Eiche. Willi Kramer, Forschungstaucher beim Landesamt für Vor- und Frühgeschichte in Schleswig: „Das ist der schönste Einbaum, den ich je gesehen habe“.

Dabei war Kramer zunächst eher skeptisch, als ihm ZDF-Mitarbeiter Hans Dieter Schnaß von der Fundstelle berichtete, die er bei Dreharbeiten unter dem Motto „Schuttabladeplätze der Geschichte“ entdeckt hatte. Kramers Erfahrung: Von 100 gemeldeten angeblichen archäologischen Sensationen entpuppen sich 99 als Fehlmeldungen.

Archäologin Gisela Graichen, die die Fernsehreihe „C-14 – Archäologische Entdeckungen in Deutschland“ leitet, begleitete Kramer, als er im Sommer auf den Grund des Sees stieg. Frau Graichen: „Ich hatte die Kamera laufen. Als er wieder auftauchte, strahlte er und hielt einen vollständig erhaltenen Topf hoch.“ Zu sehen sind diese Szenen übrigens am 12. Dezember im ZDF.

Inzwischen ist sicher: Nahe des Scharbeutzer Ortsteils Pönitz am See stand eine mittelalterliche, inzwischen vergessene und versunkene Siedlung mit einer Pfahlburg im See. Das Gebiet wurde bereits unter Bodendenkmalschutz gestellt. Damit ist, zum Schutz gegen potentielle Räuber, selbst das Tauchen an derartigen Stellen strafbar, nicht erst der Diebstahl.

Gehoben wurde zunächst der Einbaum. Da er an der Luft zerfallen wäre, mußte eine Spezialwanne konstruiert und halb ins Wasser gelassen werden. Darin wurde das Boot zur Konservierung ins Landesamt nach Schleswig transportiert.

Daß an den holsteinischen Seen westlich des sogenannten sächsischen Limes Slawen gesiedelt haben, ist bekannt. Die große Siedlung am Kleinen Pönitzer See aber war selbst Heimatforschern entgangen. Hierfür gibt es eine einleuchtende Erklärung. Um 1700 wurden mehrere der aus der letzten Eiszeit stammenden Seen mit Kanälen verbunden. Das Wasser des Kleinen Pönitzer Sees stieg damals nach einem Kanaldurchstich um mehrere Meter. Die Reste der Siedlung versanken im Wasser und wurden schlicht vergessen.

Auch die Uferlinie hat sich verändert. Die Siedlung lag einst am Rande des Gewässers. Im See selber bauten die Bewohner eine mit Palisaden geschützte Fluchtburg. Ihre Plattform ruhte, ähnlich wie bei den bekannten Pfahlsiedlungen am Bodensee, auf Hölzern, die in den Grund getrieben waren. Die Burg war so weit vom Ufer entfernt, daß sie mit damaligen Waffen, Pfeil und Bogen, nicht erreicht werden konnte.

Wie schnell die Forscher mit der Bergung und Konservierung der Unterwasserschätze vorankommen, ist letztlich auch eine Frage des Geldes. Bei der Bergung des Einbaumes waren die Gemeinde Scharbeutz und die „Tauchergruppe Ostholstein“ auch finanziell behilflich.