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Lazarus am Tropf

■ Das immerwährende Siechtum des Forums Langenstraße und ein neues Konzept für Fotografie und allerhand mehr

Seit Jahren ist dem Forum Langenstraße nicht mehr recht aufzuhelfen; bis dato weiß die Kulturbehörde nicht einmal, wie sie der Telekom die Miete für 1994 bezahlen soll. Stattdessen liegt jetzt ein neues Konzept für die noblen 900 Quadratmeter vor: Im großen Saal soll wieder schwerpunktmäßig zeitgenössische Fotografie samt Artverwandtem gezeigt werden; in den Sommermonaten, wenn die Touristen übern Markt wimmeln, darf's dann durchaus auch eine populäre Kunstausstellung bspw. zu einem Thema der Klassischen Moderne sein.

Weil es gar so sehr an Geld mangelt, kann von eigenen Ausstellungen keine Rede sein; man wird übernehmen müssen, was anderswo gesät ward. „Eine Art Überwinterungsplan“ nennt Barbara Claassen-Schmal ihr Vorhaben, das sie im Auftrag der Kulturbehörde skizziert hat. Die ehemalige Chefin der bremischen „Gesellschaft für Aktuelle Kunst“ ist gerade dabei, Kontakte zu möglichen Beiträgern zu knüpfen. Das Karlsruher „Zentrum für Kunst und Medientechnologie“ etwa habe durchaus schon Interesse bekundet, sagt sie.

Was immer sich um die Fotografie rankt, soll hier zum Vorschein kommen, aber auch andere „moderne Themen“ will Claassen- Schmal keineswegs ausgeschlossen wissen; man denke nur an die Ökologie. In den kleinen Kabinetten rings um den Saal soll dann vor allem das einheimische Leben nisten dürfen. Von der Uni bis zum Designzentrum: Alle sind angesprochen. Selbst der hiesigen Literaturszene, wie sie sich um die Zeitschrift „Stint“ angelagert hat, ist bereits eine tragende Rolle zugedacht. Und der Künstlerverband bbk soll sowieso gleich mit einziehen, allerdings nur in die niedrigen Kellerräume; die eine oder andere Ausstellung in der bel etage nicht ausgeschlossen.

Dieses überaus gemischte Konzept wird am 10. Dezember von der Kulturdeputation beraten. Hernach muß bald die Entscheidung fallen, denn wenn die Kulturbehörde das Gebäude Ende 1994 loswerden möchte, muß sie bis Ende 1993 den Mietvertrag kündigen.

Für Miete und Nebenkosten mußten bisher 250.000 Mark im Jahr aufgebracht werden. Barbara Claasen-Schmal plädiert dafür, daß dieser Betrag ab 1995 wieder aus dem Kulturetat bezahlt wird. Was die Ausstellungen und die geplanten anderthalb festen Stellen kosten, muß anderswo eingeworben werden. Von privaten Stiftern wird gemunkelt; den Wirtschaftssenator Jäger hat man auch schon freundlich zwinkern sehen, und die „Stiftung Wohnliche Stadt“ soll nicht unabgeneigt sein, was die nötigen Umbaumaßnahmen im Dienste der Einbruchssicherheit betrifft.

Das Zauberwort, welches die härtesten Herzen rührt, heißt „Stadt am Fluß“. Wo gerade die Langenstraße wiederbelebt werden soll, wäre es um die zentrale Immobilie extra schade, die von Claassen- Schmal bereits „Kunstforum am Markt“ geheißen wird. Nur die übrige Kulturszene kann nicht umhin, Bedenken auszusprechen: Der Kulturrat, namentlich die Sektion Bildende Kunst, fragt dringlich, ob denn in diesen Zeiten noch ein weiteres hungerleidendes Haus nötig sei und ob die Belange der Fotografie nicht auch von den bestehenden Museen vertreten werden könnten.

„Daß jetzt das Grabschen schon wieder einsetzt“, findet Senatsrat Dieter Opper von der Kulturbehörde nicht angebracht. „Es ist ja gar kein Geld da“. Barbara Claassen- Schmal aber, sofern sie das Geld, das nicht da ist, doch noch auftreibt, möchte ihr Projekt durchaus auch als Anregung, nicht nur als Komplettierung eines Ausstellungssortiments verstanden wissen.

Der Wille zum Innovativen reicht durchaus bis ins Detail, zum Beispiel in die Belange der Ausstellungsdidaktik: Wo die anderen seit Urzeiten das Publikum „an der Hand herumführen“, soll man sich im Kunstforum das Material „selber ziehen können“.

Wo die großen Ausstellungshäuser allesamt in der Dauerkrise dahinleben, sieht sie überhaupt die Bedeutung kleiner, flexibler Institute wachsen. Außerdem gebe es tatsächlich Lücken im musealen Angebot, die erst einmal zu schließen wären: „Da läuft ja wirklich nicht alles optimal.“ schak

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