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Ein Jahr, ein Tag nach Mölln

Die Erinnerung folgt eigenen Gesetzen. Sie läßt sich nicht tilgen – wie die Hinterbliebenen der drei in Mölln ermordeten Türkinnen wissen –, und sie wird im Gedenken nicht wachgehalten, sondern nur veräußerlicht. Die Mädchen, die mit Kerzen daran erinnern, was gestern vor einem Jahr geschah, demonstrieren eine politische Erinnerung. Denn nichts könnte deutlicher machen, daß Verdrängung nicht „funktioniert“, als ihr Spruchband „Nie wieder Faschismus“: Allen „Normalisierungs“debatten zum Trotz erinnert die deutsche Ausländerfeindlichkeit an die Vergangenheit, die nicht vergeht. Die Entwicklung von gesellschaftlicher Diskriminierung zur gesetzlichen Ausgrenzung, von gesellschaftlicher Verrohung zur amtlichen oder „privaten“ Vernichtung des „Anderen“, durchgeführt von Individuen ohne Unrechts- und Schuldbewußtsein, ist mit Deutschland verknüpft. Vor dem Oberlandesgericht Schleswig, wo der Prozeß gegen die beiden Angeklagten Christiansen und Peters dem Ende entgegengeht, sagte der 61jährige Nazim Arslan, Witwer der verbrannten Bahide Arsan: „Meine Frau muß Ibrahim gefunden und in eine Decke gehüllt haben. Und dann muß sie ihn noch in die Küche gebracht haben. Dort hat er überlebt. Meine Frau ist auf dem Flur verbrannt. Ich glaube, als sie versucht hat, auch noch die Mädchen Yeliz und Ayse zu retten. Im Schlaf muß ich immer wieder davon träumen. Ich höre die Schreie, sehe das Flackern des Feuers und das blaue Licht der Feuerwehr, höre das laute Getöse des Feuers und sehe immer wieder das Bild, wie meine Frau in Rauch und Feuer verschwindet.“

In Mölln fanden gestern, am Jahrestag des Anschlags, Lesungen, Diskussionen, Gedenkgottesdienste und ein Schweigemarsch statt. Ignatz Bubis, Wolfgang Thierse, Dorothee Sölle, Günther Grass und Günter Wallraff sagten ihr Kommen zu; die Regierung beriet in Bonn den Haushalt. Das abgebrannte Haus, in dem die Familie Aslan wohnte, wird bis Herbst nächsten Jahres wieder aufgebaut. Die dafür geplante „Begegnungsstätte für Deutsche und Ausländer“ scheiterte an fehlenden Zuschüssen von Bund oder Ländern. Bei der Landtagswahl 1992 hatten die DVU über acht Prozent und die „Republikaner“ über drei Prozent der Stimmen in Mölln erhalten. Bisher hat keine Rechtspartei ihre Kandidatur angemeldet.Foto: Reuter

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