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Unterm Strich

Kurzes zur Kunst: In der Städel-Galerie zu Frankfurt ist derzeit das restaurierte Gemälde „Madonna mit dem Johannesknaben“ für wallfahrende Kunsthistoriker wieder in Betrieb genommen worden. Das von Rosso Fiorentino erstellte Heiligenbildnis war wegen seines schlechten Zustandes bislang nicht ausgestellt worden und insofern nur einer sehr erlesenen Spezies von Museumsmenschen zugänglich. Die haben den hohen Wert dieser Schöpfung erkannt und sie flugs restaurieren lassen. Doch bereits lange Zeit vor der Neuenthüllung muß irgend jemand in Houston davon Wind bekommen haben, jedenfalls wird das Bild einem passenden Gegenstück aus den USA zur Seite gestellt und mit einer Fotodokumentation über die Vorzüge von Gemälderestaurierungen präsentiert. Warum ausgerechnet die Texaner ein solches Interesse an Madonnenbildern der Renaissance gefunden haben, bleibt das Geheimnis der Viehbarone und Ölpanscher. Man fragt sich nur, wo die sich solche alten Schinken in der Neuen Welt malen lassen? Oder ob die Mafia mit geklauten Devotionalien dealt?

Weitaus schwieriger stellt sich die Rekonstruktion früher Sowjetkunst dar, die jetzt in der Kölner Galerie Gmurzynska gezeigt wird. Dort galt es, ein komplettes Revival der von Alexander Rodschenko 1925 für Paris zusammengestellten Ausstellung russischer bildender Kunst auszurichten. Neben der Wiederbeschaffung aller Schaustücke aus Malerei, Skulptur und Fotografie hat man besonderen Wert auf eine Wiederaufnahme der damaligen Kritik gelegt, die jene „neue Kunst für den neuen Menschen“, die sich in allen Bereichen durchsetzen sollte, als einen Skandal empfand.

Der sozialistische Realismus mit seinem ungebändigten Willen zur Heldenikonographie (Bilder wie „Der badende Stalin“ oder „Portrait des ersten Sowjets in seiner Datscha“ einmal ausgenommen) erlebt zur Zeit jedenfalls eine seltsame späte Blüte: In Kassels documenta-Halle wird am Wochenende die Ausstellung „Agitation zum Glück“ eröffnet. Dort sollen 250 Exponate aus der Stalin-Zeit zeigen, daß sie auch nach dem Zusammenbruch des Ostens „unter mittlerweile veränderten Bedingungen die Diskussion um Kunst und Kultur in totalitären Regimen erneut entfachen und auf eine objektivere Basis stellen können“. Schöner Gedanke, das mit der Basis.

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