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Singende Herrentorte

Doc Helge Schneider hält seine Jünger mit einem Western über die grundsätzlichen Dinge des Lebens in Atem  ■ Von Anke Westphal

Diesen Film hat sich der Helge Schneider selbst ausgedacht. Um mit der „singenden Herrentorte“ zu reimen: Leute, schämt euch nicht, wenn ihr es mögt... „Texas – Doc Snyder hält die Welt in Atem“ ist ein Film über die Dinge des Lebens, über eigentlich gar nichts, das Leben und den Tod. Es ist – ein Western mit allem, was ein Western außer rauhen, but lonely Cowboys so braucht.

Denn die Grundfragen der Existenz stehen nun einmal: „Wo kommen wir her, wo gehen wir hin? Was heißt das eigentlich: Weltraum, All, Gestirne...? Dann auf einmal der Mensch, fertiggeschnitzt.“ Die „singende Herrentorte“ ist latent, dafür aber hauptberuflich Philosoph. Philosophie bedeutet „zum Lachen anzuregen und ernste Sachen zu sagen“. Noch als tougher Westernheld reflektiert der 38jährige Schneider, daß das Zaumzeug ächzt. Zitat Titelsong: „Texas, Texahas / ja, mein Pferd und meine Stiefel / ja, mein Hemd und meine Spor'n / mein Gewehr und meine Weste und mein Hut, / das alles steht mir gut.“ Er kann ja nix dafür. Das Lied zum Film will Schneider alias Doc Snyder alias Kommissar 00 Schneider bereits als Vierjähriger geschrieben haben. Er bringt es angeblich immer dann zum Vortrag, wenn er dazu gewungen wird. Als Cowboy hat er es hingegen nicht leicht. „Der Mensch ist ein Hochwesen, trotzdem tut er doof“, spricht er.

Texas, das ist ein Kaff wie Mülheim an der Ruhr, wie Elspe im Sauerland, wo abends um sieben die Bürgersteige hochgeklappt werden. Und doch ein bißchen anders. Texas, das sind Kojoten, Indianer, ein Saloon, natürlich eine Bank, edle Rappen (die Angelika heißen) und der Wald, wo Helge alt wird, was sich auch reimt, uralt. Indianer tauchen im ganzen „Texas“-Film zwar nicht auf, dafür aber ein obligatorischer Bösewicht, genannt „Der mit der Nase“, und eine liebende Mutter, die eigentlich ein Mann ist. Die Mutter ist neben dem hochintelligenten Wellensittich Horst fast das Wichtigste, auch wenn sie am Ende vom eigenen Sohn dahingemeuchelt wird. Mit Gift. „Hast du eine Mutter / so hast du immer Brot“, knödelt Doc Helge Snyder mit einem vernuschelten Ruhrpottakzent in einem weiteren jener sparsam eingesetzten Songs, deren Darbietung man über recht gemächliche neunzig Spielfilmminuten harrt.

Helge ist kostbar, und Helge hat viel Zeit, zu erzählen, was so gut wie nicht passiert. Wenn sich Helge dann einmal mit einer Klamauknummer ans Publikum verschenkt, ist er köstlich, und das Publikum lacht deswegen besonders laut, weil es besonders dankbar ist. Doc Snyder hält sein Publikum damit in Atem, daß es von einem Slapstick-Gag zur nächsten Clownerie auf neue lustige Stellen wartet. Lustige Stellen sind jene ölig anmoderierten Entertainerpassagen, die man aus den Shows oder von den Hörspielen her kennt, oder solche wie die, als der Doc seinen armen, aber um so dickeren Bruder aus dem Knast holt und die gute, alte Amtsschimmeligkeit in Gestalt des Sheriffs persifliert: „Sie sind angeklagt wegen Nötigung und Hinterziehung – äh, eines Dicken.“ Alles kichert. Doc Snyder darf sich so viel galoppierende Blödheit leisten, denn er stellt den einzigarten dummschlauen lonesome boy vor, der sich an Imbißbuden von Phosphatstangen, Pommes und Salbe ernährt, der schöne Mägdelein verschmäht, weil er „für die Liebe nicht so is“ (alles lacht wieder). Snyder ist halt der „Sologitarrist“, der Banküberfälle und schon mal einen schicken Mord verübt, um der Mama zu imponieren. Und der Mama muß er imponieren, denn er war dreißig Jahre nicht zu Hause und bringt nun seine dreckige Wäsche. Das ist wiederum lustig, wie die sprechenden Schuhe oder Lieber Gott. Lieber Gott trägt wirklich diesen Taufnamen; höchstpersönlich und, wie sich das gehört, mit langem weißen Bart wuselt er als deus ex machina herum. Das ist fast schon ein unverschämter Einfall, original Christenlehre. Und alles wartet darauf, daß der Gesang wieder wie eine infantile Eruption aus Doc Schneider-Snyder hervorbricht. Merke: Infantilität ist das Tarnhütchen der Schlauen. Und Kartoffelgesicht Snyder schmettert seinen kindischen Plappergesang und zetert den Blues am Lagerfeuer. „Katzenklo, Katzenklo / das macht unsere Katze froh.“ Yeah. „Schneider-Schneider- Popeider.“

Kein Klischee ist zu billig, keine Übertreibung flach und doof genug – Helge Schneider setzt immer noch ein paar Untiefen unter die Wasserkante des guten Geschmacks. Am Ende erfährt man, daß es Doc Snyder zwar gar nicht gibt, aber „in der Phantasie geht alles“. Wie wahr. Sogar Telefone, Autos und Twilight Zones in einem Western, der keiner sein will. Und als nächstes dreht der Kalauer-König dann wohl einen „00 Schneider“ à la „Goldfinger“. Womöglich in Coswig bei Dresden. Schließlich kann Schneider, der Star, jetzt auf der ganzen Welt und überall sonst ein- und ausgehen. Gehen Sie in diesen Film. Guten Tach!

„Texas – Doc Snyder hält die Welt in Atem“. Deutschland 1993, 90 Minuten; Regie: Ralf Huettner, Helge Schneider; Darsteller: Helge Schneider, Peter Thomas, Buddy Casino, Peter Berling u.a.

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