: Per einstweilige Anordnung gegen den „Namensklau“
■ Die Hamburger „Statt Partei“ will mit juristischen Mitteln gegen Wählerverei- nigungen anderswo vorgehen, in deren Reihen auch Ex-„Republikaner“ aktiv sind
„Sicher sind die Namensklauer für uns unangenehm“, sagt Markus Wegener, Fraktionsvorsitzender der Statt Partei in der Hamburger Bürgerschaft. Aber der Gründer der Wählervereinigung will es nicht „überbewertet“ sehen, wenn sich in „drei von bundesweit 50 Statt-Partei-Gruppen auch Republikaner finden“. Die Hamburger Wählervereinigung steht längst nicht mit allen Gruppen in Verbindung, die jetzt allerorten ihrem Wahlerfolg nacheifern wollen. Handfeste Probleme bereiten ihr dabei diejenigen Politzirkel, die jetzt das tun, worauf die Hamburger bisher bewußt verzichtet haben: Sie schreiten zur regelrechten Parteigründung und lassen sich in Wiesbaden beim Bundeswahlleiter unter dem Namen „Statt Partei“ als Partei registrieren.
Da haben etwa die beim Bundeswahlleiter bereits als Partei registrierten „Unabhängigen Wählergemeinschaften Niedersachsen“ angezeigt, daß sie sich in „Statt Partei/Unabhängige Wählergemeinschaften Niedersachsen“ unbenannt haben. Drei weitere Zirkel haben inzwischen dem Bundeswahlleiter von der Gründung jeweils eigener Statt Parteien Mitteilung gemacht, und mindestens zwei dieser Statt Parteien sind auf Initiative niedersächischer Ex-„Republikaner“ entstanden.
Die Wählervereinigung in Hamburg stellt sich bisher auf den Standpunkt, daß ihr Name „bundesweit geschützt“ ist. Der Landesvorstand hat zunächst Abmahnungen an die niedersächsischen „Namensklauer“ verschickt und dann beschlossen, einstweilige Anordnungen gegen die niedersächsischen Konkurrenten zu beantragen. Doch der Ausgang eines solchen Rechtsstreits ist höchst ungewiß. Klagen kann die Hamburger Statt Partei nur auf zivilrechtlichem Wege. Der Bundes- oder die Landeswahlleiter haben nur dafür zu sorgen, daß auf den Stimmzetteln nicht Parteien gänzlich gleichen Namens auftauchen. „Gegebenenfalls fügt der Landeswahlausschuß dann den Parteinamen noch einen Zusatz an“, sagt etwa der niedersächsische Landeswahlleiter Strehlen. Selbst Markus Wegener sieht der juristischen Auseinandersetzung recht skeptisch entgegen: „Wenn einige unseren Namen ruinieren“, sagt er, „dann treten wir eben bei der nächsten Wahl mit einem neuen Namen an, der von vornherein geschützt ist.“
Eine der Statt Parteien, durch die Wegener den Namen bedroht sieht, ist am 6. November in Hildesheim unter dem Namen „Statt Partei/Die Unabhängigen“ gegründet worden. Der Bundesvorsitzende dieser Partei ist der 51jährige Norbert Schittke, von Beruf Anlageberater, Immobilienmakler und auf den Bau von Campingfahrzeugen spezialisierter Maschinenbauingenieur. „Ich bin gleichzeitig Vorsitzender des einzigen europaweiten WohlmobilfahrerVerbandes“, sagt Schittke, der früher Vorsitzender der Landesschiedskommission der niedersächsischen „Republikaner“ war und für diese auch in den Hildesheimer Kreistag gewählt wurde. Nach seinem Austritt bei den Reps, die gerade in Niedersachsen heillos zerstritten waren, hat er bei der „Deutschen Partei reingeschaut“ und auch noch die „DSU“ angeguckt. Doch dort gab es, wie er sagt, „nur ganze 37 Mitglieder, und neun davon hatte ich noch mitgebracht“. Beim Gang zum Wahlamt hat Schittke schließlich festgestellt, daß es „bundesweit überhaupt noch keine Statt Partei gibt“, und hat mit „seinen Vertrauten“ dann eben diese Gründung eines Bundesverbandes nachgeholt.
Trotz seiner Rep-Vergangenheit hält sich der Hildesheimer Anlageberater für einen überzeugten Demokraten. „Mein Ziel ist eine demokratische Volkspartei“, sagt er, wobei man allerdings das Wort „Volk“ wohl im rechtspopulistischen Sinne zu verstehen hat. „Wir sind das Volk“, hat Schittke zur eigenen Parole gemacht. „Für ein Parteiprogramm reicht es, wenn man die Wünsche des Volkes zu Papier bringt“, sagt er. Heute gehe es nicht mehr um links oder rechts, sondern darum, daß „der Staat total versagt hat“. Aber es gefällt ihm auch nicht, „daß es Schulklassen gibt, in denen drei Viertel der Kinder Ausländer sind und den deutschen Kindern die Chancen zum Lernen nehmen“.
Von den „Republikanern“ hat sich Schittke getrennt, weil die „alle Horst Wessel waren und total zerstritten“. Ob er allerdings schnell genug auf den Namen Statt Partei zugegriffen hat, wird sich womöglich erst vor Gericht entscheiden. Auf seinem Schreibtisch liegt längst ein dreiseitiges Schreiben von einem anderem niedersächsischen Ex-Rep, der auch Bundesvorsitzender der Statt Partei sein will. Dessen Gruppierung trägt den Namen „Die Statt Partei/ Partei für unabhängige Wähler und Nichtwähler“ und hat als Adresse ein Postfach im hannoverschen Vorort Laatzen. Ihr Bundesvorsitzender war einst Pressesprecher bei den niedersächsischen „Republikanern“. Als sich jüngst in Hannover eine dritte Statt-Partei-Gruppe gründen wollte, erschien dieser zweite Bundesvorsitzende bei der Konkurrenz sogleich mit einer einstweiligen Anordnung. Jürgen Voges, Hannover
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