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„Totalitärer Antifa-Mythos“

■ Über die Tradition des Antifaschismus / Eine Buchvorstellung

„Auf der Suche nach der eigenen Geschichte“ und angeregt durch die Frage nach dem Selbstverständnis des vereinten Deutschland versucht die Bremer Politikwissenschaftlerin Antonia Grunenberg nachzuweisen, daß die Tradition des Antifaschismus auf totalitären politischen Idealen beruht. Die deutsche Vereinigung ist für sie Anlaß zur Auseinandersetzung: Was bedeutet die die „antifaschistische Tradition“, wie sie in der DDR verstanden wurde und – durchaus nicht nur von Anhängern des Regimes – als positives Erbe gewertet wird? „Mein Augenmerk richtet sich auf eine spezifische politisch- ideologische Konstruktion, die der Weimarer Republik .. wie dem NS- Staat .. gegenübergestellt wurde.“ Denn zu den Gegnern des Antifaschismus gehörten durchaus auch demokratische Parteien und Regime. Ihre historisch angelegte Frage, was es bedeuten würde, wenn heute gegen rechtsradikale Tendenzen wieder „die totalitären Mythen“ des Antifaschismus mobilisiert würden, ist durchaus aktuell.

Auf einer Veranstaltung mit dem Ostberliner Bürgerrechtler Wolfgang Templin in der Stadtbibliothek trug Grunenberg die Grundgedanken ihres Buches vor: Antifaschismus ist für sie ein von totalitären Visionen, Denkblockaden und Gewalt geprägter Mythos. Um dies zu belegen, beschäftigte sie sich lange mit dem Begriff „Anti“, den sie als „Grunddisposition politischen Denkens und Handelns, die totalitären Harmonievisionen anhängt“ definiert. Laut Grunenberg geht der Antifaschismus auf eine Anti-Haltung im 19. Jahrhundert zurück, die gegen die bürgerliche Demokratie und die industrielle Moderne gerichtet gewesen und in antipolitischen Elementen in der Weimarer Republik kulminiert sei.

Der Antifaschismus hatte unterschiedliche Bedeutungen für die DDR und die BRD: Während er in der DDR als Fundament des Staates, innenpolitisches Machtinstrument und Ersatz für eine moralisch einwandfreie Identität gegolten habe, war er in der BRD „das Vehikel der Kritik am westlichen Demokratiemodell“. Die „68er Bewegung“ habe trotz legitimer Kritik an der Kontinuität vom NS-Staat zur BRD die demokratischen Errungenschaften nicht gesehen, sei intolerant, nicht dialogbereit gewesen ganz zu schweigen von den Autonomen und der RAF. Grunenberg geht es um eine Alternative zum „klassischen“ Antifa-Programm im demokratischen Rahmen, die nicht in Totalitäten denkt und Differenzen akzeptiert; sie hofft, daß eine Wiederbelebung der Bürgertugenden verbunden mit zivilem Ungehorsam den „fürchterlichen Mordaktionen und Häuserbrennereien“ Einhalt gebieten kann.

Was fehlt, sind Gründe für die Frage, warum viele AntifaschistInnen in einem demokratischen System wie z. B. der BRD die Vorstufe zum Faschismus sehen und vor einem drohenden „4. Reich“ warnen. In ihrem Buch geht es weder um den antifaschistischen Widerstand gegen den Nationalsozialismus, noch um den Widerstand gegen die aktuellen rechtsradikalen Strömungen. Gerade in diesen beiden Bereichen zeigt sich aber ein anderer, ein „fundamentalistischer“ Antifaschismus, der sich eben direkt gegen den Faschismus (und dessen weitreichende Tendenzen) richtet, ohne totalitären politischen Idealen anzuhängen.

Von daher ist der Antifaschismus noch lange kein veralteter Mythos – im Gegenteil: Ein Antifaschismus, der Fragen stellt und Lösungen sucht, der sich durchsetzt, ohne halbherzige Kompromisse einzugehen, ist gerade heute bitter nötig. Darius Ossani Antonia Grunenberg: Antifaschismus, ein deutscher Mythos, Rowohlt-aktuell

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