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Ist Kapitalismus biologisch abbaubar?

■ Kunst und Sparkasse als Ausstellungsthema: die Gruppe Grün in sieben Filialen

Wer dieser Tage über die „Kunst im öffentlichen Raum“ streiten will, muß sich erstmal mit Kompaß, Stadtplan und Lupe wappnen. Die kleine Form und der dezente Eingriff haben sich landauf, landab durchgesetzt – eine späte Reaktion auf jene großklotzigen Monumente, wie sie in den 70er Jahren über die Stadt kamen. Nun rufen die Kuratoren nach „Integration“ statt „Dominanz“; und anstelle lärmender Großplastiken gibt's „stille Angebote“ zum Dialog – so still allerdings, daß selbst der wohlwollendste Betrachter die allzu cleveren Kunststücke häufig überhören und -sehen muß. So ragt die Stange am Weserufer höflich ins Leere, und die tapfere Lasershow vor der Stadthalle flackert einsam in die Bremer Nacht hinein.

Daß diese neue Bescheidenheit nicht gleich zum Verschwinden der Kunst führen muß, demonstiert derzeit eine stadtweite Ausstellung der Galerie Gruppe Grün. In sechs Filialen der Sparkasse installierten die Künstler subtile, aber sehr wohl wahrnehmbare Objekte, die abenteuerlustig auf dem schmalen Grat zwischen Anpassung und Subversion balancieren. Fast alle Arbeiten nehmen nicht nur auf die reiche Sparkassen-Architektur Bezug, sondern spielen auch recht listenreich mit dem ureigenen Thema der Kreditinstitute – Geld und Gold.

In der alten Bürgervilla neben dem St.-Josef-Stift hat sich die Sparkasse mit besonderer Feierlichkeit niedergelassen. Fast alles sieht von außen noch wie zu Herrschaftszeiten aus. Nur am Portal verweist ein Täfelchen aus Plexi-glas in goldenen Lettern auf die Öffnungszeiten. Und knapp darunter, in gleicher Form und Farbe - der Grüne Punkt in Gold: Renate Paulsens Beitrag zur Ausstellung. Mit der stilechten Zutat stellt sie nun nicht allein die drängende Frage, ob Kapitalismus biologisch abbaubar sei. Das Pathos der Architektur und die Würdezeichen der Geldinstitute werden hier auf den Punkt gebracht. Mehr noch: Das prägnante Zeichen läßt auch an das duale System von Kunst- und Geldspekulation denken.

Dem Vorgärtchen hingegen hat Engelbert Bekker seine monochrome Malerei aufgepflanzt. Auf der einen Seite sparkassenrot, zur Straße hin aber in warmem Gelbgrün erstrahlend. Zwischen der Villa und den liebreizenden Buchsbaumhecken zielsicher plaziert, nimmt Beckers Bild die inszenierte Behaglichkeit gutbürgerlicher Kultur aufs Korn. Gleichzeitig aber bleibt das Gemälde, als ästhetische Verkörperung geistiger Werte, ein angenehmer Fremdkörper an der Geld- und Verkehrsachse Schwachhauser Heerstraße.

Noch trefflicher hat sich Hermann Stuzmann mit seiner Sparkasse an der Hamburger Straße auseinandergesetzt. In die Schmuckbänder der Backsteinfassade ließ er goldfarbene Verblender ein. So ziert nun ein Goldener Fries die Filiale, und überzieht mit eleganter Geste die Gediegenheit des spätmodernen Prunkbaus.

Einen neuen Blick auf das Gewohnte sollte auch Andreas Wegners Arbeit für die Filiale in Sebaldsbrück bewirken. In der nüchternen Kantine des Hauses, einem Fertigbau im Bungalowschick der 70er, tauschte er zwei der handelsüblichen Blumenaquarelle gegen männliche Pin-Up-Fotos aus. Die angestrebte Debatte über das Alltägliche (in) der Kunst folgte sogleich. Mit dem Ergebnis, daß die Belegschaft die Bilder nach drei Tagen wieder auswechselte. Nicht allein, „weil es keinem gefiel“, wie ein Mitarbeiter sagt, sondern auch, weil bezweifelt wurde „ob es gerade diese Bilder gebracht haben.“ Den neuen Aufstellungsort der Kunst haben die Mitarbeiter mit kongenialem Einfühlungsvermögen gewählt: Die goldigen Kerlchen lagern nun im Tresor der Sparkasse. Thomas Wolff

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