■ Soll die FAP verboten werden? – Teil 2: Ohne Alternative
Der Streit ist hinlänglich bekannt, die Argumente sind ausgetauscht: soll man rechtsextreme Parteien verbieten, oder soll man es besser nicht? Aktueller Anlaß, die Frage neu zu stellen, ist der Beschluß der Bundesregierung, den von Innenminister Kanther erstellten Verbotsantrag gegen die „Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei“ (FAP) dem Karlsruher Verfassungsgericht vorzulegen. Wegen des offenen Bekenntnisses der FAP zu ihrer Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus soll das oberste Gericht die FAP als neonazistische Partei verbieten. Die Bundesregierung stützt sich dabei auf Berichte des Kölner Bundesamtes für Verfassungsschutz, das 1991 feststellte, politisches Ziel der FAP bleibe die Verwirklichung des Nationalsozialismus. Auch im letzten Jahr urteilte die Kölner Behörde: Die von Friedhelm Busse (63) geführte FAP versteht sich als nationalsozialistische Partei. Sie vertritt rassistisch geprägte, fremdenfeindliche Ziele.
Ein Verbot der FAP macht durchaus Sinn. Unbestritten ist, daß damit den ideologischen Brandstiftern die finanziellen Mittel, die organisatorische Basis und die Möglichkeit, öffentlich aufzutreten, entzogen werden. Nicht zuletzt können sie dann auch bei einem Zuwiderhandeln strafrechtlich verfolgt werden. Eine Verbotsverfügung dokumentiert darüber hinaus, daß Staat und Gesellschaft nicht bereit sind, rechtsextremistische Umtriebe zu tolerieren.
Kaum jemand wird auf die Idee kommen, schrieb z.B. die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes in Nordrhein-Westfalen, Vereinigungen zum Zweck des systematischen Diebstahls oder Heroinhandels nicht aufzulösen. Das gelte auch, wenn der Ursprung der Kriminalität damit sicherlich nicht aufgehoben wird. Verbotsmaßnahmen sind daher nicht als Lösung der drängenden gesellschaftlichen Probleme und Konflikte zu begreifen, sind jedoch Bedingung dafür, daß diese in friedlicher und demokratischer Weise aufgegriffen und damit überhaupt erst gelöst werden können.
Gegen ein Verbot rechtsextremer Parteien werden in erster Linie praktische und sozialpädagogische Argumente angeführt. Verbote wie etwa die der „Deutschen Alternative“, der „Nationalen Offensive“ oder der „Nationalistischen Front“ im November vergangenen Jahres werden von den Organisatoren dieser Parteien umstandslos unterlaufen – die verbotene Partei wird einfach durch eine neue ersetzt. Die Verbote haben zwar in der neonazistischen Szene zu einer starken Verunsicherung geführt, sie konnten aber nicht gewährleisten, „daß die Aktivitäten aller Mitglieder der verbotenen Organisationen zum Erliegen kommen“. Das ist eine Erkenntnis des Verfassungsschutzes. Eine andere Einsicht der Schlapphüte: Ebenso kann einer rechtsextremen Überzeugung mit dem Mittel des Verbotes nicht wirksam begegnet werden. Das gilt auch für den Chef der FAP, Friedhelm Busse, der Erfahrungen mit Parteiverboten hat. Seine frühere Truppe, die „Volkssozialistische Bewegung Deutschlands/Partei der Arbeit“, wurde bereits am 27. Januar 1982 vom Bonner Innenminister verboten. Seine späteren Aktivitäten hat das Verbot keineswegs bremsen können.
Gegner eines Parteienverbotes argumentieren oft, mit einem Verbot würden jugendliche Mitläufer und ideologisch noch nicht überzeugte Neonazis mit den Organisatoren und Köpfen solcher Gruppen umstandslos gleichgestellt. Die Stigmatisierung könne dazu führen, daß sich diese Jugendlichen am Ende erst recht, quasi aus Trotz, zu dem entwickeln, was mit dem Verbot vermieden werden sollte: zu überzeugten Neonazis.
Wollte man es sich leicht machen, würde man einfach behaupten, daß die FAP als Nachfolgeorganisation der NSDAP angesehen werden kann. Dann wäre sie bereits verboten, würde sie doch unter das von den Alliierten nach dem Zusammenbruch Nazideutschlands erlassene „Befreiungsgesetz“ fallen. Ob von einer Nachfolgeorganisation die Rede sein kann, weil im ideologischen Gebräu der FAP Versatzstücke der NSDAP enthalten sind, ist allerdings juristisch ziemlich strittig.
In der Forderung nach einem Verbot der FAP komme ein „hilfloser Antifaschismus“ zum Ausdruck, der an die Stelle politischer Überzeugungsarbeit die staatliche Repression setze, schrieb der Rechtsanwalt und Grüne Uwe Günther schon 1987 im Bielefelder Stadtblatt. Günther weiter: Es könnte durchaus das politische Kalkül der Bundesregierung sein, sich für ein FAP-Verbot einzusetzen mit dem Ziel, sich optisch von den rechten Militanten abzusetzen, um so „mit dem Segen der Linken seriöse rechtsradikale Politik zu betreiben“. Ob Gegner oder Befürworter: bei allen Gegensätzen gingen die Kontrahenten in der Diskussion davon aus, daß der Rechtsextremismus in der Bundesrepublik keine wirkliche Gefahr darstellt, die zivile Gesellschaft nicht in Frage stellt und Randerscheinung bleiben wird.
Die Attacken auf AusländerInnen in Hoyerswerda und in Rostock-Lichtenhagen haben aber ebenso wie die Morde in Mölln und Solingen das alte Koordinatensystem der Debatte verschoben. Nach dem von der Bundesregierung veröffentlichten „Lagebild Rechtsextremismus“ gab es Ende 1992 in der Bundesrepublik 82 (1991: 76) rechtsextreme Organisationen und sonstige Personenzusammenhänge. Insgesamt ist von 42.700 Rechtsextremisten auszugehen. Tendenz steigend.
1992 wurden 2.584 Gewalttaten mit erwiesener oder zu vermutender rechtsextremer Motivation erfaßt. Dies bedeutet gegenüber den Zahlen des Vorjahres eine Steigerung von 74 Prozent. Siebzehn Personen, darunter sieben Ausländer, starben an den Folgen dieser Gewalttaten. Dies ist die höchste Zahl seit Bestehen der Bundesrepublik.
Die Gewalt geht heute nicht mehr von den Rändern aus. Deutlich war das in Rostock-Lichtenhagen zu sehen, als die Bevölkerung den Überfällen auf Flüchtlings- und Ausländerheimen von den Balkonen herunter Beifall klatschte. Zu beoachten ist seither, wie rechtsextreme Gruppen und Parteien und Gruppierungen eine breite bewußtlose Protesthaltung zu instrumentalisieren suchen, wie nach und nach organisatorische Netze im rechtsextremen Bereich unter Verwendung modernster Kommunikationsmittel aufgebaut werden. In einer solchen Situation das Treiben rechtsextremer Parteien aus pragmatischen oder aus pädagogischen Gründen weiterhin tolerieren zu wollen kommt mehr oder weniger einer Unterstützung gleich. Wenn die körperliche Unversehrtheit von AusländerInnen und Andersdenkenden zur Disposition steht, ist der Spielraum für einen diffizilen Streit über Sinn oder Unsinn sozialpsychologischer Erklärungen und sozialarbeiterischer Strategien nicht mehr vorhanden. Das gilt auch, wenn man berücksichtigen muß, daß mit Verboten im Prinzip nichts zu erreichen ist. Wolfgang Gast
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