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Serbien für sofortige Aufhebung der Sanktionen

■ Neue Gesprächsrunde in Genf / Deutsch-französische Bosnien-Initiative vorgestellt und „im Grundsatz begrüßt“ / Karadžić gibt sich kompromißlos

Genf (taz) – Der Außenminister der größten europäischen Macht, die mit viel Energie einen ständigen Sitz im UNO-Sicherheitsrat anstrebt, blieb bei der deutschen Sprache. Sehr zum Befremden der rund 200 ausländischen JournalistInnen auf der internationalen Pressekonferenz im Genfer UNO- Palast. Kinkel duldete nicht einmal Fragen in den UNO- und EU-Arbeitssprachen Englisch oder Französisch. Und um eineN ÜbersetzerIn hatte sich die Bonner Delegation erst gar nicht bemüht.

So verstanden nur die deutschen KollegInnen den Satz, mit dem der Bundesaußenminister bereits gestern nachmittag auf ein „mögliches Scheitern der Initiative“ vorbereitete, die Ende letzter Woche in Bonn von seinen Mitarbeitern noch als „größte und wichtigste der deutschen Außenpolitik seit vielen Jahren“ bezeichnet wurde: „Bei einem Scheitern können wir zu Weihnachten wenigstens feststellen, daß wir alles versucht haben.“ Zugleich bezeichnete Kinkel das gestern morgen eröffnete Genfer Treffen der zwölf EU-Außenminister mit den Führern aller Kriegsparteien in Ex-Jugoslawien als „erstes sichtbares Ergebnis der Initiative“. Die EU habe ihre „Handlungsfähigkeit wiedergewonnen“. Und bei der morgendlichen Plenumsrunde hätten die Präsidenten Slobodan Milošević (Serbien), Franjo Tudjman (Kroatien) und Alija Izetbegović (Bosnien-Herzegowina) die Initiative „im Grundsatz begrüßt“. Milošević habe sogar erklärt, alle Beteiligten sollten sofort ein Bosnien- Abkommen unterzeichnen.

Allerdings bezog Milošević diese Aussage auf die Fassung des Dreiteilungsplanes, den Regierung und Parlament in Sarajevo mit der Forderung nach drei bis vier Prozent mehr Land abgelehnt hatten. Über diese inzwischen von der EU übernommene Forderung will Milošević erst nach Unterzeichnung eines Abkommens verhandeln. Entschieden wies der bosnische Serbenführer Radovan Karadžić die Nachbesserungsforderung zurück und insistierte in seiner Rede vor den EU-Außenministern auf 64 Prozent bosnischen Territoriums für die Serben. Zudem forderte Karadžić, wie auch Milošević, die „sofortige Aufhebung“ der Sanktionen gegen Restjugoslawien, die er als „Völkermord an den Serben“ bezeichnete.

Unter welchen Bedingungen diese Sanktionen möglicherweise zunächst teilweise suspendiert werden sollen, wurde gestern nicht klar. Erst nach einem vollständigen Rückzug aller serbischen Truppen von den künftigen Gebieten der bosnisch-muslimischen Teilrepublik, wie die Bundesregierung letzte Woche der US-Regierung versichert hatte, um deren Unterstützung für die EU-Initiative sicherzustellen? Oder bereits vorher, also parallel zur Implementierung eines Bosnien-Abkommens? Diese Möglichkeit ließ die Formulierung offen, die EU- Ratspräsident Willy Claes (Belgien) in seiner Rede zur Eröffnung der Konferenz benutzte.

Skeptischer als Kinkel äußerte sich der niederländische Außenminister Kojmanns. Er bemängelte, daß Karadžić ohne seinen obersten Militärführer General Mladić in Genf erschienen war. Mladić hatte in der Vergangenheit mehrfach Zusagen Karadžićs über den Haufen geworfen und auch die EU-Initiative letzte Woche entschieden abgelehnt.

Am Nachmittag bemühten sich die Außenminister in drei Arbeitsgruppen, die drei bosnischen Kriegsparteien zur Zustimmung zu einem durch die EU-Initiative leicht revidierten Bosnien-Abkommen zu drängen. Für den Abend war eine gemeinsame Pressekonferenz von Ratspräsident Claes mit den beiden Vermittlern von UNO und EG, Stoltenbergn und Owen, vorgesehen. Am Abend wollten die zwölf Außenminister Genf in Richtung Rom verlassen, um dort an der KSZE- Konferenz teilzunehmen. Bis zum Redaktionsschluß der taz war nicht klar, ob Owen und Stoltenberg die Verhandlungen mit den Kriegsparteien heute fortsetzen werden. Andreas Zumach

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