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„Das hat verheerende Folgen“

Heute Haftprüfung für die des Solinger Brandanschlags Beschuldigten / Innenausschuß-Vorsitzender Bernrath (SPD) ist empört über die oberflächlichen Ermittlungen / Ein Interview, geführt  ■ von Bernd Siegler

Stehen Bundesanwaltschaft und Bundeskriminalamt nach Bad Kleinen vor einer erneuten Pleite? Heute hört Ermittlungsrichter Beyer vom Bundesgerichtshof den 16jährigen Felix K. und den 20jährigen Christian B. an, morgen folgen Christian R. (16) und Markus G. (23). Am kommenden Montag fällt dann die Entscheidung, ob das Quartett, das in Zusammenhang mit dem Brandanschlag in Solingen seit sechs Monaten in Untersuchungshaft sitzt, auf freien Fuß kommt. Der Anschlag in der Nacht vom 28. auf den 29. Mai kostete zwei türkische Frauen und drei Mädchen das Leben. Gottfried Bernrath (SPD), Vorsitzender des Bundestagsinnenausschusses, geht davon aus, daß mindestens drei der vier aus der Haft entlassen werden. Vor ihm hatte schon der Chef des Bundeskriminalamtes, Hans-Ludwig Zachert, „Probleme“ im Fall Solingen zugegeben und sich einen Rüffel von Bundesinnenminister Kanther eingehandelt. Auch die neuesten Gutachten nähren Zweifel an der Tatversion der Bundesanwaltschaft, Widersprüchlichkeiten bezüglich Brandbeschleuniger, Tatzeit und Alibis der Beschuldigten bleiben unausgeräumt.

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taz: Wie werten Sie das vorliegende Ermittlungsergebnis von Solingen?

Gottfried Bernrath: Alles spricht dafür, daß Bundeskriminalamt und Generalbundesanwaltschaft hier sehr oberflächlich vorgegangen sind. Vielen Hinweisen, die geeignet gewesen wären, die Täterschaft in ein anderes Licht zu stellen, ist man gar nicht nachgegangen. Ich bleibe dabei, daß die jetzt vorliegenden Ergebnisse nicht dazu führen, daß die Haft der bislang Verdächtigten aufrechterhalten werden kann. Wahrscheinlich führen sie bei drei der vier Inhaftierten dazu, daß sie an der Tat gar nicht beteiligt waren. Dann stellt sich die Frage: Wer sind die Täter? Wenn man das zu dem Zeitpunkt, wo man erklärt, wir haben sechs Monate die Falschen festgehalten, nicht offenlegen kann, dann gibt es nicht nur in Deutschland, sondern auch im Ausland eine verheerende Reaktion.

In Solingen waren oberste Bundesbehörden am Werk, und die haben viele Anfängerfehler gemacht. Warum?

Das fragen wir uns spätestens seit Bad Kleinen. Es gibt ganz offensichtlich keine konzentrierte Führung und keine Empfindlichkeit für gesellschaftliche Verantwortung. Die Folge ist ein Vorgehen, das unkoordiniert ist und nicht immer wieder zur Selbstprüfung führt, ob die Ergebnisse der Ermittlungen auch logisch und begründet sind.

Sehen Sie noch mehr Parallelen zu Bad Kleinen?

Ich sehe vor allem die Parallelität hinsichtlich der Beweissicherung. Der Bahnhof von Bad Kleinen ist, nachdem er fünfzig Jahre keine Farbe gesehen hatte, wenige Tage nach den Ereignissen völlig neu angestrichen worden. Zu dem Zeitpunkt gab es schon große Zweifel daran, ob die Spurensicherung ausreichend war. In Solingen ist das Haus, in dem das alles stattgefunden hat, inzwischen abgerissen worden. Das ist doch unglaublich.

Es setzt sich langsam die Erkenntnis durch, daß die rechtsextreme Szene doch vernetzter ist, als bislang immer angenommen wurde. In Solingen hat man sich wieder sehr schnell mit sogenannten Einzeltätern zufriedengegeben. Muß in der offiziellen Politik nicht endlich das Bild vom rechtsextremen Einzeltäter korrigiert werden?

Weder die zuständigen Ermittlungsbehörden noch die Politik haben sich bisher damit beschäftigt, daß, ungeachtet der zunächst eingetretenen Erleichterung, als man die „Einzeltäter“ hatte, die rechtsradikale Szene in und um Solingen herum sich eher noch verdichtet hat und auch sehr offen und ungeniert auftritt. Das zeigt deutlich, daß wir über die Erkenntnis, daß Rechtsradikalität gefährlich ist, noch nicht hinausgekommen sind. Wir sind noch nicht zu politischem und auch exekutivem Handeln gekommen, noch nicht zu einem Einschreiten gegen diese organisierte rechtsextreme Kriminalität.

Was passiert, wenn man für den Mordanschlag in Solingen keine Täter präsentieren kann?

Das ist gar nicht auszudenken. Dann stellt sich wirklich die Frage, ob unsere Apparate, vom Verfassungsschutz über Bundeskriminalamt bis hin zu den Polizeien, ausreichen. „Ausreichen“ meine ich nicht quantitativ, sondern qualitativ und was das politische Bewußtsein angeht.

Apropos Verfassungsschutz. VS-Behörden sollen im Vorfeld von Solingen davon gewußt haben, daß an Pfingsten dort ein Anschlag verübt werden soll.

Es gibt einen Hinweis auf eine Planung eines solchen Anschlags. Der kam aus Wuppertal. Wenn dieser Hinweis belegt werden kann, dann bestätigt er auch, daß diesen Hinweisen nicht nachgegangen worden ist, denn darüber gibt es nicht einen Satz in den Akten.

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