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Das Recht auf Faulheit

■ Arbeitssenatorin für kürzere Arbeitszeiten / Kurzabbatical gegen Beschäftigungskrise / Erste Zielgruppe sind Männer

Jetzt propagiert die Arbeitssenatorin das Recht auf Faulheit. So deutlich sagt es Christine Bergmann zwar nicht, aber sie meint es: „Alle reden von einem Recht auf Arbeit, aber wir brauchen auch das Recht auf Nichtarbeit.“ Der Volkswagenkonzern hat Bürgermeisterin Bergmann ermutigt, sich zu offenbaren. Noch bevor die Wolfsburger die Viertagewoche einführten, hatte Bergmann Wissenschaftler darüber nachdenken lassen, wie man die Arbeitszeit verkürzen könne. Anders, so begründete die Arbeitssenatorin, sei die „größte Beschäftigungskrise seit Bestehen der BRD“ nicht zu überwinden.

Das Wort Kurzarbeit bekommt einen neuen Klang. Mit Kurzarbeitsregelungen könnten künftig Betriebe unterstützt werden, so schlägt der Beschäftigungsexperte Günter Schmid vor, ihre Produktion umzustrukturieren. Der Dreh dabei ist, keine Beschäftigten zu entlassen. Sie arbeiten statt dessen kurz und bilden sich in der freiwerdenden Zeit weiter. Erschwinglich würde das für den Betrieb und die ArbeitnehmerInnen durch den Staat. Der würde selbst oder durch die Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit ein Ausfallgeld für die Arbeitszeitverkürzung zahlen.

Der Stadt täte ein solch neuartiges Kurzarbeitsprogramm gut. Wirtschaft und Arbeitsmarkt des Ostteils sind schwer wiedervereinigungsgeschädigt, den Westen Berlins knebelt die Rezession. Doch der Vorschlag ist gerade mal aus der Ideenphase heraus. Sie wolle nun bei ihren Senatskollegen werben. Außerdem lege die SPD im Februar einen neuen Entwurf für das Arbeitsförderungsgesetz vor. Am Anfang habe sie von allen Seiten Prügel bezogen, klagte Arbeitssenatorin Christine Bergmann, als sie an zwei wesentliche Problemfelder der Arbeitsgesellschaft rührte: Wie kann man Arbeit gerechter verteilen? Wie kann Arbeit öffentlich gefördert werden? Arbeitslosigkeit sei „alimentierte Ausgrenzung von Menschen“, sagte Bergmann. Knapp 200.000 Menschen waren in Berlin im Oktober arbeitslos. Weitere 55.000 Personen wurden in Maßnahmen der Arbeitsbeschaffung und Kurzarbeit gezählt.

Arbeitszeitverkürzung geht auch umsonst. So denkt der Unternehmensberater Andreas Hoff, der in einem Gutachten für die Arbeitsverwaltung das Modell eines „Kurzsabbaticals“ entwickelte: zwei Jahre arbeiten und dann ein Vierteljahr Pause. Bezuschußt werde das von keiner Seite, meinte der „Arbeitszeitberater“ Hoff und vergaß ganz, daß das vierteljährliche Sabbatical Lohn- und Gehaltseinbußen nach sich zieht. Elf Prozent finde der betroffene Beschäftigte weniger auf seinem Gehaltsstreifen, netto.

Die Arbeitszeitverkürzung hat auch Sorgenkinder. BezieherInnen kleiner und mittlerer Einkommen können sich die Einbuße auf dem Lohnkonto nicht leisten. Sie müßten staatlicherseits gestützt werden. Sonst wird Teilzeitarbeit und Job-sharing ein Vergnügen für white collars und Besserverdienende. Ganz andere Schwierigkeiten hat die zweite Problemgruppe der Teilzeitarbeit: Männer. Die arbeiten zuviel. Nur 2 Prozent Männer arbeiten in Teilzeit. „Für mich sind die Männer die Hauptzielgruppe des Modells“, meinte Andreas Hoff dazu. Christian Füller

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