Puppenstube hinter dem Brandenburger Tor

■ Bebauungsplanentwurf für den Pariser Platz vorgestellt / Rigide Vorschriften knebeln Architekten bei der Gestaltung

Bei der zukünftigen Bebauung des Pariser Platzes legt Bausenator Wolfgang Nagel Bauherren und Architekten gleichermaßen an die Kette. Dem gestern vorgestellten Bebauungsplan-Entwurf für das Areal am Brandenburger Tor fügte Nagel sechs „konservative Gestaltungsregeln“ bei, die am Pariser Platz eine moderne Planung ausschließen. Zwar lasse das „Regelwerk sowohl historische Reminiszenzen als auch moderne Architektur zu“, sagte Nagel. Zeitgemäße Bauten aus Stahl und Glas sowie in neuen Formen paßten dort jedoch nicht ins Stadtbild.

Die mögliche moderne bauliche „Haute Couture für den Berliner Salon Pariser Platz“ (Nagel) droht damit – eben wegen des Regelwerks –, sich zu einer romantisierenden Puppenstube zu verwandeln. Der Bebauungsplan sieht vor, die quadratische Anlage aus dem 18. Jahrhundert wiederherzustellen.

Neben das Langhanssche Tor und die bestehenden Gebäude der Akademie der Künste sollen Neubauten treten, die mit der Methode der kritischen Rekonstruktion die geschlossene städtebauliche Figur und die frühere Bebauung reflektieren. Außerdem wurden die Maße und Höhen der Randbebauung und deren Nutzungsstruktur, beispielweise die amerikanische und britische Botschaft an der Südseite des Platzes, das Hotel Adlon an der Ecke Straße Unter den Linden/Pariser Platz oder die französische Botschaft nördlich des Tors, festgelegt.

„Geregelt“ wurden auch die Planungen für den sogenannten Zetkin-Block mit Nutzungen des Bundes sowie für die Gebäude entlang der Wilhelmstraße. Dort ist eine Mischung von Büros, Dienstleistungen und Wohnungen vorgesehen. Darüber hinaus beinhalten die Richtlinien die Gestaltung der Fassaden.

Jeder Bau müßte demnach in drei Zonen gegliedert werden, die metergenau (Sockel: 1,20 Meter, mittlere Zone 16,70 Meter, Attikageschoß) definiert sind. Zum Tiergarten hin soll eine klare Stadtkante entlang der Ebertstraße ausgebildet werden, die Gliederungen der Bauten haben die Proportionen (Breiten, Achsen und Joche) des Brandenburger Tores aufzunehmen.

Schließlich sollen sich die neuen Gebäude in „Farbe und Material in Anpassung am Brandenburger Tor“ orientieren. „Jeder Bauherr, der am Pariser Platz bauen will“, betonte Nagel, „muß sich darüber im klaren sein, daß es hier nicht um die Realisierung von Einzelinteressen gehen kann, sondern um einen Beitrag zu einer an der Historie orientierten Baukultur.“ Mit dem Abschluß des Bebauungsplanverfahrens rechnet Nagel im nächsten Jahr, so daß mit ersten Bauvorhaben 1994 begonnen werden könnte. Im Jahr 2000 könnte der Platz fertiggestellt sein.

Nagel erinnerte daran, daß mit dem Beschluß des gemeinsamen Ausschusses von Bund und Senat bereits im Juli verabredet wurde, den Pariser Platz in seiner historischen Form wieder aufzubauen.

Für den Pariser Platz liegen bereits Bauprojekte vor, deren baurechtliche und ästhetische Entscheidungen mit dem Entwurf des B-Plans wie verabredet scheinen. So zitiert das Bauvorhaben des Architekten Patzschke für das Hotel Adlon die historische Fassadenstruktur. Die Planungen für das links und rechts des Brandenburger Tors liegende Liebermann- Haus und das Haus Sommer von Joseph Paul Kleihues orientieren sich an der Form und Gestalt der Vorbilder, lassen aber Raum zwischen den Neubauten und dem Brandenburger Tor. Bedenken bezüglich der rigiden Vorgaben äußerten Berliner Architekten. So kritisierte Cornelius Hertling, Präsident der Berliner Architektenkammer, weniger die Wiederaufnahme der historischen Konfiguration als vielmehr die „Vorschriften überhaupt“. Hertling: „Ich würde Lösungen richtig finden, die wegkommen von den steinernen Vorgaben, und fragen, ob nicht auch eine heitere, offene und moderne Architektur am Pariser Platz die Alternative sein kann.“ Rolf Lautenschläger