: Eingemauert von Karnickelställen
■ Projektstudien für die Kampnagel-Bebauung finden nur wenige Freunde / Kampnagelleitung spricht von „indiskutablen“ Vorschlägen Von Till Briegleb
Die Begeisterung über die beiden am Dienstag in der Liegenschaftsverwaltung vorgestellten Entwürfe für die Bebauung des Kampnagelgeländes hält sich allerorts sehr in Grenzen. „Richtig glücklich war niemand mit den Entwürfen“, kommentiert Hans-Heinrich Bethge, persönlicher Referent von Kultursenatorin Christina Weiss, die Vorschläge der beiden „Developer“, die die taz gestern vorstellte. Die Sitzung der zuständigen Referenten aus Stadtentwicklungs-, Bau-, Finanz- und Kulturbehörde sowie Vertretern des Bezirksamtes Nord diente der ersten Diskussion und Bewertung der zwei Konzepte von B&O-Consulting und Röhr&Partner.
Obwohl noch nichts Endgültiges beschlossen wurde, zeichnete sich in der Tendenz doch deutlich ab, daß keine der beiden Projektstudien in dieser Form umgesetzt werden wird. Laut Bezirksamtsleiter Jochen von Maydell hält man sich in einer zweiten Phase des Verfahrens auch die Möglichkeit offen, noch andere Planungsbüros zu beteiligen. Die ursprünglich drei Entwicklerbüros (ME-DI-UM hatte zurückgezogen, um sich an einem späteren Architekturwettbewerb zu beteiligen) waren von der Liegenschaftsverwaltung Ende August damit beauftragt worden, Ideen zu entwerfen, die den innerbehördlichen Streit über die Nutzung des Geländes beseitigen können.
Besonders eine zukünftige Wohnbebauung auf dem Gelände der ehemaligen Kranfabrik war zwischen den Behörden extrem umstritten. Hielt die Kulturbehörde und mit ihr die Kampnagel-Leitung eine Wohnbebauung wegen des lärmintensiven Kulturbetriebs für nahezu ausgeschlossen, so bestand vornehmlich die Stadtentwicklungsbehörde (Steb) und mit ihr die Bezirksversammlung Nord auf einem Konzept, das wenigstens Mischnutzung vorsieht. Da sich die Beteiligten immerhin darin einig waren, daß Kampnagel inzwischen ein fester Bestandteil der Hamburger Kulturlandschaft ist, lautete die zweite entscheidende Anforderung, daß das zu erstellende Konzept einen „synergetischen Effekt“ zwischen neuen Nutzern und der Kulturfabrik enthalten müsse.
Insbesondere dieses Kriterium der gegenseitigen Anziehungskräfte erfüllen die beiden Nutzungskonzepte in sehr unterschiedlicher Weise. So hält der kaufmännische Leiter von Kampnagel, Jack Kurfess, immerhin für eine Hälfte der Synergie verantwortlich, den Entwurf von B&O-Consulting für schlicht „indiskutabel“. Die auf allen Seiten bedrohlich nahe an die Veranstaltungshallen herantretenden Gebäudekomplexe, die wohl teilweise nur mit Feuerwänden zum Gelände zeigen, hinter denen sich dann bewohnbare „Karnickelställe“ (Kurfess) befinden, empfindet man auf Kampnagel als reines Horrorszenario.
Dagegen bewertet Kurfess den Entwurf von Röhr&Partner immerhin als Diskussionsvorschlag, wenn auch mit vielen Fußangeln. Dazu gehört insbesondere die Traufhöhe (teilweise fünf Geschosse plus zwei Staffelgeschosse), aber auch die „Einmauerung“ durch die volle Ausnutzung der Randflächen. Kurfess rechnet weiterhin vor, daß die von beiden Entwürfen ungefähr erreichte Brutto-Geschoß-Fläche (BGF) von 25.000 Quadratmetern sich auch dadurch realisieren ließe, daß man die Jarrestraße entsprechend intensiv bebaut, dafür aber das Gelände zur Barmbeker Straße hin offen läßt, was den Hallen den Charakter des „Hinterhof-Theaters“ ersparen würde. Dazu müßte allerdings erst der Bebauungsplan geändert werden.
Doch Kurfess, der seit langer Zeit um ein planerisches Gesamtkonzept für das Gelände kämpft, war auch bei der dienstäglichen Sitzung wieder nicht eingeladen, um seine Vorstellungen zu erläutern. Seine Vorschläge, die er gemeinsam mit den Hamburger Architekten Volkwin Marg und Bernhard Winking entwickelt hat und die er Anfang November der Öffentlichkeit vorstellte, wurden von Klaus Bohn (Röhr&Partner) zwar teilweise in sein Konzept integriert. Eine Auseinandersetzung von Seiten der beteiligten Behörden fand bisher allerdings nur in einem polemischen Angriff seitens Finanzsenators Curilla statt.
Laut von Maydell werden die beiden Konzepte zunächst in diversen Gremien verschiedener Behörden diskutiert, um bis circa Februar zu einer vorläufigen Einigung zu kommen. Danach soll auf der Grundlage eines korrigierten Entwurfs ein Architekturwettbewerb ausgeschrieben werden.
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