Auchmusik von Auchfrauen

■ „Bigger, Better, Faster, More“? Die Probe aufs Exempel: 4 Non Blondes spielten in der Berliner Halle in Weißensee

„Wenn wir auf der Bühne stehen, sollen die Leute sehen, daß wir hart arbeiten“, sagt Christa Hillhouse, „und sie sollen nicht darauf achten, ob bei uns Frauen die Frisur noch sitzt oder ob wir auf sexy Stöckelschuhen stehen.“ Als ob es darauf ankäme. Wer nie auf hohen Absätzen stand, hat ohnehin andere Sorgen. Trotzdem läßt Bassistin Hillhouse ihr Statement in alle Sprachen der (mit dem Berliner Konzert beendeten) Tournee übersetzen. 4 Non Blondes sind unterwegs: drei Musikerinnen und – nebenbei an der Gitarre – Roger Cocha, ein brünetter Mann.

Weiblich besetzte Bands, die mehr Frauen als die berüchtigte Keyboarderin im Hintergrund aufweisen, sind lange Zeit nach Punk wieder up to date. Das hat sich nicht nur herumgesprochen, es garantiert mittlerweile auch streng gemanagte Karrieren. 4 Non Blondes avancierten innerhalb eines Jahres zum internationalen Publikumsrenner – mit einem Debütalbum, das sich in England und im Heimatland Amerika unter den ersten Landes-Zwanzig, in Deutschland gar an der Spitze der Media- Control-Charts plazierte; desgleichen „What's Up“, die erste Single (eine zweite folgte jüngst). Das alles brachte so viel Hype in Jugend- und Rockmagazinen, daß schon wieder Unmut über die Starshooter wuchs. Der freilich schürt die Popularität erst recht – die aber live dann um so härter auf die Probe gestellt wird; wie am 1. Dezember in der Halle Weißensee in Berlin.

Dem Auftritt war kräftig vorausgeunkt worden: das Konzert um knapp zwei Monate verschoben, Sängerin Linda Perry in Hamburg wegen Unvermögens von der Bühne gepfiffen etc. In Berlin jedoch konversierte Perry strategisch geschult mit einem Publikum, das zwar nur in lichten Reihen erschienen war, vor allem aber aus Männern bestand. Sie hoben ihre begeisterten Freundinnen auf die Schultern oder umarmten sie von hinten, um mit ihnen synchron zu den harten Riffs zu schunkeln. Immerhin verlor Perry nach den ersten sieben verpatzten Takten ihre Stimme nur noch in den hohen Lagen, wenn in der Lichtflut nach viel Geschrei ein bombastischer Blues erklang. Allein das Programm war metallener Standard, der keinesfalls an Kraft gewann, nur weil Perry ihr Timbre an Stimmen wie der von Axl Rose geschult hat.

Überhaupt die Kollegen und Kolleginnen! Vergleiche dürfen 4 Non Blondes nicht scheuen, fügen sie doch Bestehendem nichts Neues hinzu oder machten es „Bigger, Better, Faster, More“, wie der Albumtitel verspricht. Die Proklamation weiblicher Präsenz im männlich geprägten Business bleibt das einzige Markenzeichen – das die Vergleiche nicht schonender ausfallen läßt. Während Bands wie Hole und Huggy Bear Männer von ihren Konzerten ausschließen, während in der kalifornischen Nachbarschaft der Blondes sich die Folk-Sängerinnen zum Einzelkampf bekennen und die Gruppen der Riot Girls die totale Verweigerung proben, verweigern 4 Non Blondes nur Sexattribute: blondiertes Haar und hohe Hacken.

Der Rest ist Umkehrung. Perry posiert mit breiten Beinen auf dem Monitor, leert mit zurückgeworfenem Kopf die Wasserflasche, und jede ihrer Machogesten über der Gitarre ruft Jubelstürme auf dem Parkett hervor. Das hier, will Perrys Choreographie signalisieren, ist Normalität.

Die einstudierte Selbstverständlichkeit jedoch straft die Behauptung sofort Lügen. Nach der Zugabe ziehen krittelnde Männer über den gefrorenen Schnee zur Straßenbahn, und ihre Freundinnen verteidigen heftig die Band: Siehst du, auch Frauen können Musik machen. Eben. Auch Frauen machen gemeinsam auch Musik. Mehr scheint nicht möglich zu sein auf dem Weg in die Top ten. Claudia Wahjudi