: Babynahrung - gut im Futter?
■ Vom Möhrenbrei bis zum Volkornmenü - Gerichte für Kleinkinder sind der Renner im Supermarkt / Viele Gläschen sind jedoch zu süß, zu salzig oder mit Nitrat und Cadmium belastet / Selbermachen lohnt sich
„Maureen nahm eine Dose Babykost ,Grieß mit Pflaumen‘ aus dem Regal, setzte sich an die Schmalseite des Tisches, zog die Spitzen (ihres Spitzenkleides) hoch und fing an zu essen. Als sie sah, daß Kate lustlos auf ihrem Brot herumkaute, deutete sie auf die Babykost in ihrer Hand und sagte: ,Versuchen Sie doch mal das! Ich esse nie etwas anderes.‘ ,Sie werden krank werden, weil Ihnen die Vitamine fehlen‘, sagte Kate automatisch, während Maureen mit spöttischem Lachen hin und her schaukelte. Maureen reichte ihr eine Dose Apfelmus, und Kate aß den Brei tapfer auf.“ Diesen Dialog führen zwei Frauen in Doris Lessings Entwicklungsroman „Der Sommer vor der Dunkelheit“. Babykost ist in – auch unter Erwachsenen.
Öko-Test wollte allerdings nicht wissen, ob der Inhalt von Babykostgläschen den Erwachsenen munden, sondern ob sie sich als Beikost für eine gesunde Säuglingsernährung eignen. Von den 83 getesteten Produkten sind nur 47 Gläschen „empfehlenswert“. Denn zahlreiche Produkte sind offensichtlich doch mehr nach dem Geschmack der Eltern zusammengekocht worden als nach den Bedürfnissen von Säuglingen. Viele Kinderbreie sind zu süß oder zu salzig.
Ein weiteres Problem in der Babynahrung ist Nitrat. Mikroorganismen im Speichel und Magen- Darm-Trakt können diese in Pflanzen vorkommende Stickstoffverbindung schnell in das giftige Nitrit umwandeln. Nitrit blockiert die Sauerstoffaufnahme der roten Blutkörperchen, was zu späterer Blausucht und zu Ersticken führen kann. Wird Nitrat zusammen mit Eiweiß aufgenommen, können krebserregende Nitrosamine entstehen.
Erlaubt sind 250 Milligramm pro Kilogramm (mg/kg) Nitrat. Diesen Grenzwert hat kein einziges Gläschen überschritten. Dennoch sollen Säuglinge möglichst wenig davon aufnehmen. Öko- Test hat Gläschen, die mehr als 100 mg/kg Nitrat enthalten, abgewertet.
Ein weiterer Schadstoff in der Babynahrung ist das Schwermetall Cadmium. Die Öko-Tester fanden neun Produkte, die 20 Mikrogramm pro Kilogramm oder mehr Cadmium enthalten. Auch hier gilt: Jedes Mikrogramm des Nierengiftes ist für Babys zuviel.
Eine offene Frage ist die Belastung der Babynahrung mit Dithiocarbamaten. Das sind Spritzmittel, die in der Landwirtschaft gegen Pilzbefall und Schädlinge eingesetzt werden. In Fertigprodukten zersetzen sich diese Mittel sehr schnell. Ihr Abbauprodukt Ethylenthioharnstoff ist jedoch alles andere als harmlos. Im Tierversuch wirkt es krebserregend, keimschädigend und erbgutverändernd.
Für Dithiocarbamate in Babynahrung gibt es einen gesetzlichen Grenzwert von zehn Mikrogramm pro Kilo. Öko-Test wollte die Gläschenkost daraufhin testen lassen. Dabei stellte sich heraus, daß bundesweit kein einziges Untersuchungslabor in der Lage ist, das Dithiocarbamat so genau zu messen, wie es der Gesetzgeber fordert. Da nur der kontrollierte biologische Anbau Dithiocarbamate verbietet, sind Eltern besser beraten, wenn sie Bio-Gläschen kaufen.
Wer Babynahrung selbst zubereitet, hat oft mehr Schadstoffe im Kochtopf als im Gläschen – selbst dann, wenn er im Bioladen einkauft. Denn wieviel Cadmium oder Nitrat die Pflanzen speichern, kontrollieren in der Regel nicht die Bio-Bauern, wohl aber die Gläschenkosthersteller. So kann der Nitratgehalt in frischem Bio-Spinat durchaus bis zu 900 mg/kg betragen. Das ist fast viermal soviel, wie für Säuglingsnahrung zulässig ist. Peter Hermes
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