: „Ein wirksamer Schutz ist unbezahlbar“
Zu Attentaten und Anschlägen rief eine Liste mit etwa 200 Personenbeschreibungen in der rechtsradikalen Postille „Der Einblick“ auf / Der freie Journalist Peter Grün* ist einer von ihnen ■ Ein Interview von Thomas Köller
Der freie Journalist Peter Grün aus Fleimberg steht mit vollem Namen, Adresse, Kfz-Kennzeichen, Beschreibung seiner Wohnung und seiner Ehefrau in einer in Neonazi- Kreisen kursierenden Liste der „auszuschaltenden destruktiven, antideutschen und antinationalistischen Kräfte“. Sie ist Teil der Publikation „Der Einblick“. Peter Grün hat bereits Erfahrung mit solchen Listen. Schon fünfmal wurde sein Name veröffentlicht. Der Grund: der 38jährige publizierte über rechtsextremistische Aktivitäten und Strukturen in Deutschland.
taz: Als Sie erfahren hatten, Sie stehen auf dieser Liste, was waren die ersten Gedanken?
Grün: Wenn man das schon fünfmal mitgemacht und schon fünfmal Telefon- und Briefterror erduldet hat, erschreckt einen dies nicht so sehr wie beim erstenmal. Aber es hat jetzt eine neue Dimension. Bei vorhergehenden Veröffentlichungen sind ja körperliche Angriffe auf die Person zumindest verbal ausgeschlossen worden. Da war die Strategie Terror und Angriffe gegen Sachen.
Und jetzt?
Diesmal heißt es ausdrücklich keine spontanen Aktionen mehr, sondern es wird gesagt, sucht Euch eine Zielperson aus dieser Liste heraus, plant konkrete Attentate, die diese Personen ausschalten, macht vorher weitere Veröffentlichungen gegen die Personen, um den möglichen Täterkreis auszuweiten, überprüft alle Daten noch einmal, aber schlagt zu. Das ist der Befehl zum Mord, zur schweren Körperverletzung, das ist Aufruf zu direktem Terrorismus.
Um so mehr muß man sich schützen. Haben Sie Ihr persönliches Verhalten geändert, was tun Sie zu Ihrem Schutz?
Sachen wie permanent in den Rückspiegel beim Autofahren zu schauen, sind seit einem Monaten schon in Fleisch und Blut übergegangen. Mein Aussehen ist Gott sei Dank in diesen Kreisen noch nicht bekannt, das brauchte ich bisher nicht zu verändern. Konkrete Maßnahmen für einen wirksamen persönlichen Schutz sind in der Bundesrepublik aber unbezahlbar. Ich habe mehrfach in der Vergangenheit und sofort nach der Veröffentlichung der Zeitschrift Der Einblick dringlichst um Polizeischutz gebeten. Er ist mir immer verwehrt worden. Erst nach den Presseveröffentlichungen hat man die Streifenwagen angewiesen, während ihrer normalen Streife in regelmäßigen Abständen an meiner Wohnung vorbeizufahren. Das ist der bisher einzige gewährte Schutz von Seiten der Polizei.
Ihr Name wurde schon fünfmal in entsprechenden Listen veröffentlicht. Mit welchen Folgen?
Das erschreckendste ist die Ausforschung selbst. Das ist ja nichts Neues, das wird schon seit zwei Jahren betrieben – federführend von Altnazis wie Peter Dehoust, dem Herausgeber von Nation + Europa, von Manfred Rouhs von der „Deutschen Liga für Volk und Heimat“ in Köln und Herausgeber von Europa vorn oder Heinz Dieter Hansen von der DESG-inform in Hamburg. Da werden Gemeindeverwaltungen und Postämter nach den persönlichen Daten angeschrieben, da werden Nachbarn befragt, da wird das Grundstück fotografiert. Dazu kam tagelanger Telefonterror. Ich habe jetzt immer einen Anrufbeantworter zwischengeschaltet. Dann der Briefterror, weltweit von Australien bis aus den USA. „Saujude, du wirst nicht mehr lange leben“, heißt es.
Geben die Behörden persönliche Daten freizügig heraus?
Wenn man seine Daten nicht sperren läßt und seine Behörden nicht informiert, geben die die Daten im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten heraus. Prinzipiell kann man dann jede Adresse erfahren. Mir ist es gelungen, sämtliche Auskünfte als solche sperren zu lassen. Das war aber nur mit Hilfe eines sehr großen politischen Drucks möglich.
Was kann man noch tun?
Ich habe es in erster Linie mit Strafanzeigen bei den Staatsanwaltschaften versucht. Es wurde aber nie ein Verfahren eröffnet, und damit wurde auch keinem Richter die Möglichkeit gegeben, ein entsprechendes Urteil zu fällen. Einmal habe ich die Zivilgerichte bemüht und hatte damit Erfolg. Da wurde eine Person gegen ein Zwangsgeld von 500.000 DM oder ersatzweise zwei Jahre Haft verurteilt, meine Daten nicht mehr weiterzugeben bzw. zur Veröffentlichung freizugeben. Aber jetzt ist der identische, verbotene Text erneut in der Liste.
Im Falle der neuen Liste hatte man den Eindruck, die Generalbundesanwaltschaft (GBA) habe einmal sehr schnell reagiert...
...Wenn ich mir die von der GBA herausgegebenen Presseerklärungen anschaue, so versucht man dort immer noch, die Sache herunterzuspielen und zu verharmlosen. Meine persönliche Anzeige ist schon vergangene Woche der hiesigen Staatsanwaltschaft zugegangen und wurde von dort schnell weitergeleitet bis zur GBA. Die hat aber erst aufgrund des übergroßen Drucks der Presseveröffentlichungen widerwillig, quasi gezwungenermaßen Ermittlungen aufgenommen.
Wenn man so oft bedroht wird, ist man dann nicht versucht zu sagen, jetzt schmeiße ich den Krempel hin und ziehe mich zurück?
Wenn der Staat es versäumt, schon im Vorfeld Naziaktivitäten zu unterbinden, dann ist es gut, daß es einige wenige Bürger gibt, die aktiv etwas für unsere Demokratie tun. Jedem muß natürlich persönlich überlassen bleiben, ob er das nach entsprechenden Veröffentlichungen und Bedrohungen weiter betreibt. Ich kenne Leute, die körperlich in Mitleidenschaft gezogen wurden. Die haben sich so weit in ihren demokratischen Rechten einschränken lassen, daß sie nichts mehr gegen Rechts publizieren. Das ist schlimm, aber ich werde weitermachen.
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