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Geschenkaustauschtermin

Vor der Zwischenjahreszeit ein verzweifeltes Grübeln / Kleine Sachkunde des richtigen Schenkens und ein paar Gedanken zusätzlich  ■ Von Detlef Kuhlbrodt

Im Dezember tobt die Konsumpropagandamaschine. Bunt glänzen die Werbe-Inlets der Zeitungen im Papierkorb. Hell leuchten die Lichter an den bis zur „Sportschau“ verkaufsoffenen Samstagen. Die VerkäuferInnen sind angewiesen, ganz besonders freundlich zu sein, und verschenken Marzipanherzen. Einigen macht das sogar Spaß.

Ein King-Kong-großer Weihnachtsmann sitzt auf dem Karstadt-Dach in der Müllerstraße und schaut rotlackiert in den Himmel. Wenn der runterfällt, gibt's Tote! Einige Videotheken verleihen interessante Weihnachtsmanngruselfilme, auch Weihnachtsmannpornos werden angeboten.

Bei Hertie am Halleschen Tor empfehlen Schilder, die über der Rolltreppe im Fahrtwind sanft hin- und herschwingen, passend zu „frechen“ Dessous eine ergänzende Videoanlage inclusive „Show View“ zu kaufen.

Doch auch die protestantische Geschenkverzichtspropaganda hat Konjunktur und fordert – neben gemeinschaftlichem Singen, Vorlesen und authentischem Liebsein – einen Ausstieg aus den angeblich seelenlosen Geschenkzwangsneurosen. Vor allem Eltern, die ihren Kindern fieserweise schon das Fernsehen vorenthalten, folgen den Kapitulanten. Schenken und Beschenktwerden ist tatsächlich ziemlich schwer. Institutionalisierte Geschenkaustauschtermine sind noch komplizierter, auch wenn sie in ihrer anerkannten Allgemeinheit und multiplen Gegenseitigkeit etwas Großartiges haben. Hastig, pflichtbewußt und enttäuscht darüber, daß man das familiäre Weihnachtsfest verdrängt hat, hetzt man mit dem Restalkohol der Zwischenjahreszeit, (in der seltsamerweise sehr viele sympathische Menschen Geburtstag haben und alle durchgehend melancholisch angetrunken sind), am 24. Dezember durch irgendwelche völlig verstopften Kaufhäuser und kauft Dessous für Mama und eine prima Videoanlage für Papa, eine Flasche Krimsekt in Erinnerung an die Intershops für die Schwester und ein Pornoheft bei der letzten Tankstelle vor der elterlichen Wohnung in Westdeutschland für den Bruder. Oder irgend was andres. Blumen und Eis, vielleicht auch Konfekt, sind nie verkehrt!

Innerhalb der Familien, zwischen Eltern und Kindern, ist die Ungleichheit zu groß, als daß es zum gleichberechtigten Schenken kommen könnte. Die Kinder schreiben Wunsch- oder Bestellzettel, die Eltern liefern. Wenn anstatt aufregend-nutzloser Sachen praktische Dinge im Weihnachtszimmer herumliegen, ist die Enttäuschung groß. Manche Eltern geben ihren Kindern extra Geld für Sachen, die sie ihnen dann schenken sollen. Viel schlimmer sind jedoch Eltern, die sagen, daß sie gar nichts geschenkt haben wollen, weil sie schon alles hätten.

Wenn die Familie sich später nur noch in den Weihnachtstagen zusammenfindet, gibt es oft aus Unkenntnis der weiteren Lebensverwicklungen und -interessen peinliche Geschenke. Einmal bekam ich von meiner Schwester zum Beispiel eine Großpackung Präser. Meine Eltern zumindest fanden das sehr witzig. Ich fand das nicht nur indiskret, sondern eigentlich völlig daneben. Über das Geschenk, das ich meiner Schwester gab, konnte sie sich auch nicht so richtig freuen. Schön war's trotzdem!

Unpassende Geschenke haben oft eine rührende Komik, die den Sinn des Geschenks noch stärker, als alle brauchbaren Sachen es je könnten, hervortreten läßt. Als Geschenk symbolisieren die verpackten Dinge, von denen man als Gast bei einer Geburtstagparty zum Beispiel manchmal schon beim Klingeln an der Tür plötzlich weiß, daß sie total unangemessen und daneben sind, auch wenn man sich schrecklich viel Mühe gegeben hatte, sie auszusuchen, ja tatsächlich unverbrüchliche Freundschaft oder schüchterne Sympathie. Als Sache, die sich in den Alltag des Beschenkten drängt, sind sie jedoch leider völlig schwachsinnig. Solche Geschenke – ein Puzzle, ein Buch für Lesefeinde, ein lustiges „Arbeitslos und Spaß dabei“-T- Shirt für einen arbeitslosen Bekannten und derlei Dinge – legt man als Schenker an einen unauffälligen Ort, abseits der prominenten Dinge, die oft zu einer Art Altar aufgetürmt sind. Da bleiben sie dann, ein Leben lang. Das wird auch nicht mehr erwähnt oder (erst, wenn man furchtbar alt ist) als Anekdote und steht als petit sale secret ein paar Jahre zwischen Schenker und Beschenktem. Kompliziert sind Geschenke auch bei geschlechtlicher Attraktion, die sich noch nicht erklärt, geschweige denn gebunden hat. Da wird das Geschenk leicht zum eigenen Körper, der vom anderen ausgepackt werden will, was zuweilen auch peinlich sein kann (s.o.).

Zur Meisterschaft, zur „schenkenden Tugend“, die dem nicht zu Unrecht verleumdeten Nietzsche die größte war, bringt man es so gut wie nie. Angstgeschenke, die man macht, um nicht als völlig unsouveräner Loser dazustehen, oder agressive Gaben, die nach dem Potlatschprinzip dazu dienen, den Empfänger zu demütigen, der sich nur mit einer noch größeren Gabe rächen kann, dominieren statt dessen. Manche – und das sind die Schlimmsten – sind aber auch nur einfach geizig (und kaufen ein paar Tage später keine Feuerwerkskörper und spenden die eingesparten 10,50 DM für gute Zwecke und bestehen auf ihrer Spendenquittung wegen der Steuer). Einige Betriebe verzichten inzwischen sogar auf die obligatorischen Weihnachtssektflaschen für ihre MitarbeiterInnen, die einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zur betrieblichen Solidarität bildeten.

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