piwik no script img

Finger im Teig

■ Forcierte ZDF-Abmagerungskur mit ungewissem Ende

Mainz (taz) – Daß ZDF-Mitarbeiter seit vergangenem Sommer bei Dienstreisen öfter in die zweite Klasse der Bahn umsteigen müssen und dort ihre „Sozialkontakte stärken“ können, war für Chef- Mainzelmann Dieter Stolte nur ein Anfang. Statt „Sparen an den Rändern“ würden nun „Eingriffe substantieller Art unverzichtbar“, verkündete der Intendant am Mittwoch sorgenvoll. Zehn Prozent der 4.230 ZDFler sollen bis 1997 sozialverträglich ausscheiden über Ruhestandsregelungen und Umsetzungen auf freigewordene Stellen. 100 hat man bereits beschlossen, nun verordneten McKinsey-Berater den Verkauf einiger Ü-Wagen und die Streichung von 120 dazugehörigen Stellen. Die ZDF-Technik wird bald fremdgewartet und macht weitere 46 Planstellen frei. Um 1,6 Prozent konnte der eben beschlossene ZDF-Haushalt für 1994 mit Einsparungen gesenkt werden. Doch damit kann das Fehlen von 350 Werbemillionen jährlich nicht wettgemacht werden. In der Konkurrenz mit den Privaten sackte der Reklameanteil im ZDF- Etat von planmäßigen 40 auf magere 23 Prozent. Und die Fernsehgebühren als zweite Finanzierungsquelle liegen bis Ende 1996 fest.

Rasche Abhilfe fordert Dieter Stolte nun von der Politik. Die soll ihm eine Verschiebung von zehn der täglichen 20 Werbeminuten in die attraktivere Zeit nach 20 Uhr erlauben. 150 Millionen Mark Mehreinnahmen erhofft sich der Intendant jährlich. Welche Zugeständnisse er dafür den Werbekunden im Programm machen müßte, bleibt im Halbdunkel. Eine „maßvolle und vertretbare“ Gebührenerhöhung steht zudem auf dem Wunschzettel. Sollten sich die Länderpolitiker bis 1996 zu keinem dieser Schritte bewegen lassen, sieht der Intendant schwarz für seinen Sender. Stolte spricht von „nicht mehr rückholbaren“ Maßnahmen: „Haare kann man bis auf die Glatze runterschneiden. Die wachsen wieder. Nicht aber ein Arm, den man amputieren muß.“

Teil der Zukunftsstrategie ist die verstärkte Zusammenarbeit mit der ARD. In einigen Jahren will man die Wahlforschung gemeinsam machen und so 200.000 Mark pro Wahl sparen. Bei Wahlen und Sportübertragungen soll ein Technikpool gemeinsam genutzt werden. Und gemeinsam prüft man auch den Einstieg in neue Medienwelten. Wenn der digitale Fortschritt eine explosionsartige Vermehrung der TV-Kanäle bringt, werden Pay-TV, Pay per view und Video on demand Zuschauer von den großen Vollprogrammen abwerben. Bei solchen Spartenkanälen wollen ARD und ZDF „den Finger im Teig haben“, so Stolte, „sonst wären wir verknöcherte und verblödete Beamtenapparate“. Christoph Heinzle

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen