Mit Ravels „Bolero“ für Serbien

■ Bei den Wahlen in der Krajina geht es um Großserbien

Wien (taz) – Zum Programmauftakt wird die Hymne gespielt. „Alle Serben für die Krajina“ heißt es da, „und die Krajina für alle Serben“. Maurice Ravel würde sich im Grab umdrehen, wüßte er, daß sein „Bolero“ im Dezember 1993 zum Kampflied degradiert wird. TV Knin, der Sender der „Hauptstadt“ der „Serbischen Republik Krajina“, unterlegt das klassische Werk mit Kriegsbildern, romantischen Landschaftsdarstellungen und zuletzt mit der serbischen Trikolore. Der Spot stellt klar: Die Krajina ist integraler Bestandteil eines neuen serbischen Großreiches, wie immer die Wahlen an diesem Wochenende ausgehen werden.

Die Politiker des Landstriches, der formell unter UNO-Kontrolle steht, sich selbst aber „Serbische Republik Krajina“ nennt, wagen somit eine neue Kraftprobe gegen Zagreb. Mit dem Urnengang wird laut dem derzeitigen „Präsidenten“ Goran Hadžić „die Souveränität der unabhängigen Krajina gefestigt“. Sein Gegenspieler und derzeitiger „Innenminister“ Milan Martić drückt sich im Interview mit dem Zagreber Magazin Danas noch klarer aus: „Wir als eigenes Volk haben wie jedes Volk das Recht zu entscheiden, wo und unter wem wir leben wollen. Von unseren Zielen weichen wir keinen Millimeter ab.“ – Für Beobachter der politischen Szene in Knin stellt sich da die Frage, worin denn eigentlich der inhaltliche Unterschied zwischen Hadžić und Martić besteht, wenn sie sich mit allen Politikern in der Krajina über ihr Ziel einig sind.

Tatsächlich wird bei den Wahlen am Sonntag denn auch nicht über das Ziel, sondern über den Weg verhandelt, über den man am schnellsten und ohne allzu hohen Blutzoll zu einem Anschluß an Belgrad kommt. Darüber, und über nichts anderes, sollen die etwa 250.000 verbliebenen Krajina-Serben mit ihrer Stimme entscheiden. Dabei gelten Hadžić und seine „Sozialistische Partei“ als Ziehkinder des serbischen Präsidenten Slobodan Milošević. Hadžić, der sich kurz nach der Abspaltung der Krajina mit Hilfe Belgrads gegen den ersten „Präsidenten“ des mehrheitlich serbisch besiedelten Gebietes, Milan Babić, durchsetzten konnte, hält sich strikt an die Weisungen aus der Donaumetropole.

Sein „Innenminister“ Martić dagegen ist ein Krieger der ersten Stunde. Bereits im Frühjahr 1991, Monate vor der internationalen Anerkennung Kroatiens als unabhängiger Staat, hatte er mit Terroraktionen „den kroatischen Seperatismus“ torpediert. Martić gibt an, einen „unabhängigen Kurs“ gegenüber Belgrad einschlagen zu wollen. Denn innerhalb seiner Freischärlerverbände traut man Hadžić zu, daß dieser im Falle eines Seperatfriedens zwischen Serbiens Milošević und seinem kroatischen Amtskollegen Franjo Tudjman die Krajina aufgeben könnte. Martić steht somit für die Hardliner in der Kleinstrepublik, die Angst haben, die Region zwischen bosnischer und kroatischer Grenze könnte in einem serbisch-kroatischen Kuhhandel für Ländereien in Bosnien geopfert werden.

Letztendlich würde dies aber auch eine neue „Regierung“ Hadžić nicht akzeptieren: Laut der aktuellen Ausgabe des Zagreber Wochenblattes Globus bereiten die Krajina-Serben für das kommende Frühjahr eine Großoffensive vor, um die Grenzen des bereits okkupierten Territoriums an einigen „strategischen Punkten“ nachzubessern. Vor allem einen Zugang ans Meer haben die Krajina-Generäle noch immer im Visier. Wie seriös dieser „Geheimplan“ auch sein mag, in Kroatien sieht man allein in der Abhaltung des Urnengangs eine Provokation, der möglicherweise, eine militärische Antwort aus Zagreb folgen könnte – egal ob „Sozialisten“ oder „Demokraten“ die Wahl gewinnen. Karl Gersuny