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„Helmut Kohl dreht seine letzte Runde“

■ Interview mit Stefan Schwarz (33), CDU-Bundestagsabgeordneter

taz: Die Wahlprognosen für die CDU stehen schlecht. Ist die CDU vorbereitet auf die Ära nach Kohl?

Stefan Schwarz: Zunächst einmal gibt es den berühmten „last minute swing“. Wir werden also sehen, wie die Wahlen ausgehen. Zweitens ist die CDU zur Zeit völlig auf den Vorsitzenden ausgerichtet, das hat dieser auch so gewollt. Insofern fehlt uns die Breite neben und hinter Kohl. Wenn wir uns nicht verändern, werden wir in der Ära nach Kohl in ein tiefes, schwarzes Loch fallen.

Was soll sich denn ändern?

Die Souveränität des Vorsitzenden muß erlauben, daß er auch andere Leute neben sich duldet. Da sollen Leute sein, die in einer freundschaftlichen Art und Weise seine Politik kommentieren. Sie müssen ihm helfen, aber ihn auch kritisieren können, ohne das diese Kritik dazu führt, daß man als Feind identifiziert wird.

Gibt es denn keine Überlegungen für die Zeit nach Kohl?

Das kann ich nicht sagen. Bisher ist es so, daß sich in der CDU ein Klima auszubreiten scheint, in dem Gedanken über die Zeit nach Kohl als Anti-Kohl-Äußerungen identifiziert werden. Dabei hat Helmut Kohl mir kürzlich auf dem Deutschland-Tag der Jungen Union auf meine Bemerkung, ich sei in der Jungen Union ein auslaufendes Modell, geantwortet, das sei er auch – in der CDU. Das heißt, der Mann hat schon die Souveränität, sich dazu zu bekennen, daß er die letzte Runde dreht. Ich will durchaus, daß er diese letzte Runde erfolgreich dreht. Aber er sollte auch sehen, daß es nach ihm mit der Partei weitergehen muß. Das ist im Prinzip der Streit mit Kohl. Es geht nicht um Anti-Kohl, sondern es geht darum, Kohl zu verändern. Man könnte es so sagen: Wir wollen Kohl als Parteivorsitzenden zu den Wurzeln zurückbringen. Demokratie funktioniert von unten nach oben. Es kann nicht so sein, daß die Arbeit einer Partei sich in der Weiterverbreitung der Regierungspolitik erschöpft.

Woher soll denn im Kanzlerwahlverein CDU die Erneuerung der Partei kommen?

Ich bin Mitglied einer Partei geworden, nicht eines Kanzlerwahlvereins, aber diese Entwicklung droht am Horizont. Dagegen müssen alle angehen, denen an einer CDU als Volkspartei der Mitte gelegen ist. Das ist oft ein harter Kampf, denn die Strukturen sind schon ziemlich verkrustet, Kohl selbst hat schon von „Verbonzung“ der Partei gesprochen. Es gibt aber keine Alternative. Man muß sich dieser Anstrengung unterziehen.

Sie haben gesagt, die CDU brauche die Jugend mehr als die Jugend die CDU. Wie ist die Quote junger Funktionsträger auf höherer Parteiebene?

Nicht besonders gut. Jeder Verein, jede Bewegung bemüht sich darum, zu überleben, indem sie sich um den Nachwuchs sorgt. In der CDU scheint das anders zu sein. Weil das so lange vernachlässigt wurde, müssen wir nun zusätzliche Anstrengungen unternehmen. Ich sage das auch im Hinblick auf das Superwahljahr 1994. Wenn die Bevölkerung der Bundesrepublik erkennt, daß die CDU eine Gruppierung ist, die sich nicht um ihren Nachwuchs schert, wird man dieser Gruppierung auch nicht abnehmen, daß sie sich um die Zukunft kümmert.

Könnte sich die CDU nicht in der Opposition besser erneuern als in der Regierung?

Der jetzige Bundesvorsitzende hat als Landesvorsitzender von Rheinland-Pfalz gezeigt, daß eine Partei sich in der Regierung erneuern kann – er hat dort die Partei gründlich reformiert. Ich wünsche mir, daß er das auf der Bundesebene auch tut. Ansonsten wird die Opposition uns dazu zwingen, uns zu erneuern. Angesichts der Einschätzung, die gegenwärtig Parteien gegenüber herrscht, halte ich es für fraglich, ob sich die CDU in einem tiefen, schwarzen Loch erneuern könnte. Interwiew: mon

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