: Serbischer Deserteur soll ab in den Krieg
■ Asyl-Bundesamt ordnet sofortige Abschiebung an, die zur Zeit allerdings undurchführbar ist
Das Vorgehen der restjugoslawischen Armee im Balkan-Krieg ist international geächtet. Auch die Bundesrepublik hat zur Erzwingung eines Waffenstillstands dem strengen Embargo über Serbien zugestimmt. Doch während PolitikerInnen aller Parteien das Ende der kriegerischen Auseinandersetzungen im zerfallenen ehemaligen Jugoslawien beschwören, werden die einzelnen Menschen, die sich dem staatlich organisierten Massenmord entziehen, nach wie vor aus der Bundesrepublik ins Kriegsgebiet zurückgescheucht. So auch der nach Bremen geflüchtete serbische Roma M.M.
Nachdem M. bereits 1991 mehrere Monate in der restjugoslawischen Armee dienen mußte, erreichte ihn am 10. Oktober dieses Jahres ein erneuter Stellungsbefehl. Gerade noch rechtzeitig habe er durch einen Sprung aus dem Fenster der Rekrutierung entgehen und sich innerhalb von vier Tagen bis nach Deutschland durchschlagen können, berichtete M. gegenüber dem Nürnberger „Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge“ (BAFL). Das stellt diese Version der Dinge auch keineswegs in Frage, kommt aber in seiner Entscheidung über den Asylantrag des Deserteurs trotzdem zu dem Ergebnis: „Das Vorbringen des Antragstellers, er befürchte Bestrafung wegen Wehrdienstentziehung oder Desertion, kann nicht zur Asylrechtsgewährung führen. Der Asylantrag ist offensichtlich unbegründet. Abschiebungshindernisse liegen nicht vor.“
Abenteuerliche Begründung des BAFL: Den in Restjugoslawien üblichen Bestrafungen für Deserteure „wohnt eine politische Verfol-gungstendenz nicht inne“. Vielmehr träfen diese Strafen jeden jugoslawischen Staatsangehörigen gleichermaßen. Eine besondere Verfolgung aus politischen, religiösen oder rassistischen Gründen sei nicht zu erkennen, eine „begründete Furcht vor politischer Verfolgung im Heimatstaat“ somit nicht gegeben. Die Tatsache, daß sich hier jemand einem international geächteten Krieg entzieht, zählt für das BAFL überhaupt nicht.
Daß M. inzwischen nicht schon im Belgrader Militärknast gelandet ist, hat er nicht etwa der Klage seines Anwalts gegen diese absurde Entscheidung des BAFL zu verdanken. Denn die, das haben die Nürnberger Beamten ausdrücklich betont, habe keine „aufschiebende Wirkung“. Sein Glück ist nur, daß es zur Zeit wegen des internationalen Embargos keinerlei regulären Flugverkehr nach Restjugoslawien gibt. Der Leiter der Bremer Ausländerpolizei, Dieter Trappmann: „Solange der Belgrader Flughafen dicht ist, können wir nach Restjugoslawien sowieso nicht abschieben.“
Diese Tatsache ist auch der Grund, warum sich Trappmann um den Fall M. keine weiteren Sorgen macht. So wußte er am Freitag zum Beispiel nicht, ob ein Erlaß des Bremer Innensenators vom 12. Februar diesen Jahres noch gilt. Darin wurde klipp und klar bestimmt, daß „Wehrpflichtige aus dem ehemaligen Jugoslawien“ in Bremen „ein vorläufiges Bleiberecht“ haben, „wenn sie nachweisen oder glaubhaft machen, desertiert zu sein oder einer konkret für sie ergangenen Einberufung keine Folge geleistet zu haben“. Und auch im Innenressort selber war am Freitag nicht zu klären, ob dieser Erlaß noch gültig ist. Dirk Asendorpf
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