: Senat will weniger Flüchtlinge aufnehmen
■ Senat drängt auf eine Länder-Verteilungsquote für Bürgerkriegsflüchtlinge, um Berliner Haushalt zu entlasten
Wenn am Freitag die Ministerpräsidenten der Länder zu ihrer Konferenz zusammenkommen, sollen sie nach dem Willen der Sozialsenatorin Ingrid Stahmer (SPD) „beim moralischen Schopf gepackt werden“. Das Land Berlin will die übrigen Länder zu einer verstärkten Aufnahme von Bürgerkriegsflüchtlingen bewegen. Diese sollen künftig, analog der Regelung für Asylbewerber, gemäß dem sogenannten „Königssteiner Schlüssel“ verteilt werden. Danach entfielen auf Berlin 2,2 Prozent der Flüchtlinge. Zur Zeit sind es jedoch knapp 30.000 von bundesweit 300.000, die sich in der Stadt aufhalten. Mit dieser Zahl sind nur diejenigen erfaßt, die Sozialhilfe beziehen. Die Unterbringung und Verpflegung kosten das Land Berlin jährlich 600 Millionen Mark. Darüber hinaus hält sich noch eine erhebliche Zahl von Flüchtlingen bei Verwandten und Bekannten auf. Sie alle sind vor allem nach Berlin gekommen, weil die jeweiligen Gemeinden in der Stadt besonders groß sind. 60.000 Menschen aus dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien leben zur Zeit in Berlin. Der überwiegende Teil der Flüchtlinge kommt aus Bosnien-Herzegowina.
Wie Stahmer erläuterte, leben zur Zeit in Berlin 40.000 Menschen in Notunterkünften, davon 11.693 Asylbewerber und 7.500 Spätaussiedler. Die Kapazitäten seien jedoch nicht erschöpft, immerhin habe man zu den Hoch-Zeiten der DDR-Fluchtbewegung 1989 100.000 Menschen aufgenommen. Für die Unterbringung sind eigentlich die Bezirke zuständig, allerdings haben diese sich in den letzten Wochen zum Teil überfordert gezeigt. So wurden in Schöneberg bereits Turnhallen belegt. Die Sozialverwaltung will deshalb dem Rat der Bürgermeister anbieten, künftig die Unterbringung durch das Landesamt für Zentrale Soziale Aufgaben zu regeln. Das Amt hat bereits 7.300 Plätze zur Verfügung gestellt. Es verhandelt zudem mit der Oberfinanzdirektion über die Nutzung ehemals alliierter Liegenschaften.
Nach Stahmers Ansicht sei es jetzt an der Zeit, daß sich vor allem der Bund an den Kosten beteilige, denn die Unterbringung der Flüchtlinge sei eine „gesamtmoralische Aufgabe“ der BRD. Die Bundesregierung solle 50 Prozent der Kosten übernehmen und zugleich eine europäische Regelung anstreben. Daß sich in Deutschland 300.000 Flüchtlinge aufhalten und in Frankreich oder Italien lediglich 8.000 Zuflucht gefunden haben, bezeichnete Stahmer als das „Kardinalproblem“. dr
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