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„Ein Ereignis hat stattgefunden“

■ In einer gemeinsamen „Nordirland-Erklärung“ rufen die Regierungen von Großbritannien und Irland zum Gewaltverzicht in den zerrissenen Provinzen auf

Dublin (taz) – Der britische Premier John Major und sein irischer Amtskollege Albert Reynolds erinnerten an ein altes Ehepaar, als sie ihre gemeinsame Nordirland- Erklärung am Mittwoch der Presse vorstellten. Wenn der eine sprach, nickte der andere unaufhörlich mit dem Kopf. Die Demonstration von Optimismus und Übereinstimmung setzte sich in den Parlamenten fort: Mit Ausnahme des rechtsradikalen Pfarrers Ian Paisley, der die Erklärung erwartungsgemäß als „schmutzigen Verrat“ verteufelte, gaben sowohl das Londoner Unterhaus als auch das Dubliner Dail fast einmütig ihren Segen. Das, so wissen auch die Politiker, ist jedoch relativ bedeutungslos. Ihre Augen sind nun auf die Ghettos in Nordirland gerichtet, wo über den Erfolg der „anglo-irischen Friedensinitiative“ entschieden wird.

Erste Reaktionen aus Nordirland sind jedoch eher negativ. Zwar gab Sinn Fein, der politische Flügel der „Irisch-Republikanischen Armee“, am Mittwoch abend bekannt, man werde die achtseitige Erklärung gründlich studieren, doch der Parteivorsitzende Mitchel McLoughlin sagte, daß sich bereits „allgemeine Enttäuschung“ breitgemacht habe. Er verwies nochmals auf eine Initiative des Sinn-Fein-Präsidenten Gerry Adams und des Vorsitzenden der nordirischen Sozialdemokraten, John Hume, die er als mögliche Grundlage für einen „dauerhaften Frieden“ bezeichnete. Einzelheiten darüber werden allerdings nach wie vor geheimgehalten, und Hume sicherte Major und Reynolds vorgestern seine volle Unterstützung zu.

Was steht in der Erklärung eigentlich drin? Sie ist so zweideutig formuliert, daß es auf die Lesart ankommt. Der Kernsatz lautet, daß es „alleine Sache der Menschen der irischen Insel ist, durch jeweilige Übereinkunft zwischen den beiden Teilen das Recht auf Selbstbestimmung auszuüben auf Grundlage der freiwilligen Zustimmung, Nord und Süd, um ein vereintes Irland herbeizuführen, wenn das ihr Wunsch ist“. Dieser Satz bedeutet, daß alles beim alten bleibt: Ein vereintes Irland kann nur zustande kommen, wenn die Mehrheit in Nordirland zustimmt. Reynolds versprach, die irischen Verfassungsparagraphen, in denen Anspruch auf Nordirland erhoben wird, dementsprechend durch ein Referendum verändern zu lassen. Im Gegenzug erklärte Major, daß die britische Regierung „kein eigennütziges strategisches oder wirtschaftliches Interesse an Nordirland“ habe. Für die südirische Bevölkerung ist der Punkt interessant, in dem Reynolds verspricht, Maßnahmen für eine „demokratischere und pluralistischere Gesellschaft“ in Südirland zu ergreifen. Will er den Würgegriff lockern, in dem der katholische Klerus das Land seit Jahrzehnten hält?

Für Sinn Fein und IRA haben die beiden Premiers einen Köder ausgelegt: Sinn Fein – die stärkste Partei im Belfaster Stadtrat – darf am Verhandlungstisch Platz nehmen, nachdem die Waffen der IRA für drei Monate geruht haben. Diese Zusage ist für die protestantischen Unionisten kaum zu verdauen, ebensowenig wie die vage avisierte Einrichtung verschiedener gesamtirischer Institutionen. Paisley und andere haben vor einem „Gegenschlag“ protestantischer Paramilitärs gewarnt.

Die Irish Times brachte die Atmosphäre der Spannung und des Abwartens gestern auf einen Nenner. Sie zitierte den irischen Philosophen Edmund Burke, der im 18. Jahrhundert gesagt hatte: „Ein Ereignis hat stattgefunden, zu dem man schwer etwas sagen und unmöglich schweigen kann.“ Ralf Sotscheck

Kommentar S. 10

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