: Pflegeversicherung langsam reif für die Geriatrie
■ SPD lehnt Versicherung im Bundesrat ab und fordert ein neues Vermittlungsverfahren
Bonn (taz) – Ein zweites Vermittlungsverfahren zur Pflegeversicherug steht bevor. Die Bundesregierung reagierte umgehend auf einen entsprechenden Beschluß des Bundesrats, der gestern die Fortsetzung der Suche nach Kompromissen dringend angeraten hatte. Die vorliegenden Gesetze waren in der Länderkammer erwartungsgemäß gescheitert. Kanzleramtsminister Friedrich Bohl kündigte danach an, die Bundesregierung werde ein weiteres Vermittlungsverfahren beantragen, „wenn eine neue Einigungschance besteht“.
Die lag im Bundesrat trotz gelegentlich markiger Reden fast in der Luft. Zwar stimmten dem zustimmungspflichtigen Gesetz zur Pflegeversicherung nur die CDU-geführten Länder zu. Damit ist dieses Gesetz formell zunächst gescheitert. Gegen das eigentlich umstrittene Gesetz zur Entgeltfortzahlung, das die Kompensation der Arbeitgeberbeiträge zur Pflegeversicherung regelt, erhob ebenfalls die Mehrheit des Bundesrats Einspruch, die jedoch vom Bundestag mit einfacher Mehrheit wieder überstimmt werden kann. Doch legten sich nicht nur die SPD- geführten Länder dafür ins Zeug, daß die Pflegeversicherung noch in dieser Legislaturperiode zustande kommt. Auch im Antrag der Unionsländer Bayern, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Thüringen hieß es: „Der Bundesrat geht von einem weiteren Vermittlungsverfahren zur Pflegeversicherung aus.“ Der von der Ländermehrheit verabschiedete Antrag, dem auch das CDU-geführte Sachsen zustimmte, zeichnet den möglichen Kompromiß vor. Zur strittigen Frage, ob ein (SPD) oder zwei (Bundesregierung) Feiertage nötig sind, um den Arbeitgebern die zusätzlichen Kosten für die Pflegeversicherung auszugleichen, schlägt die Ländermehrheit salomonisch vor, daß „die Belastung der Arbeitgeber durch Streichung eines Feiertags kompensiert und im Jahre 1996 geprüft und entschieden wird, ob auch nach diesem Zeitpunkt die Kompensation sichergestellt ist“. Auch nach dem Vorschlag der Bundesregierung soll der zweite Feiertag erst 1996 geopfert werden, wenn die zweite Stufe der Pflegeleistungen in Kraft tritt. Die Koalition, vor allem die FDP, will das allerdings schon jetzt festschreiben. Der Unterschied ist freilich so hauchdünn, daß auch der wortgewaltige Bundesarbeitsminister die Tür offen sieht. „Die SPD hat die Brücken nicht abgerissen“, bescheinigte Blüm der Opposition nach der Sitzung. Während der Debatte hatte er die Gelegenheit zu allerlei Anklagen allerdings nicht verschmäht. Der Worte seien nach zwanzig Jahren genug gewechselt, versicherte Blüm. „Die Mutter im Pflegeheim kann sich davon doch keinen Rollstuhl kaufen.“
Formell erzwingen konnten die Länder ein weiteres Vermittlungsverfahren mit ihren Beschlüssen nicht. Da der Bundesrat den Vermittlungsausschuß in dieser Sache bereits angerufen hat, steht dieses Mittel nur noch der Bundesregierung oder dem Bundestag offen. Allein ein mit Zweidrittelmehrheit beschlossener Bundesratseinspruch gegen das Entgeltfortzahlungsgesetz hätte die Bundesregierung auch formal in Zugzwang gebracht. Darauf zog sich die FDP-Expertin Gisela Babel zurück, die in einem neuen Vermittlungsverfahren „nicht mehr die zwei Feiertage“ zur Debatte stellen will. Die Wohlfahrtsverbände stellten sich hinter die SPD und fordern ebenfalls eine Verschiebung der Entscheidung über den zweiten Feiertag. Tissy Bruns
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen