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Besinnungskitsch Von Mathias Bröckers

Und es geschah zu der Zeit, daß sich drei Nilpferde aus Ägypten aufmachten und dem Stern bis nach Bethlehem folgten. Und als sie den Stall und die Krippe gefunden hatten, traten sie ein und sagten: Guten Tag, wir sind die Heiligen Drei Könige und wollten die Geschenke abholen.

Aktuell könnte man diesen post-industriellen Weihnachtswitz vielleicht noch etwas abändern und statt Geschenken die „Buschzulage“ abholen lassen. Aber um das Gabentischlein-deck-dich, das sich die Heiligen Westminister und Staatssekretäre in Sachsen-Anhalt angerichtet haben, geht es hier nicht.

Vielmehr geht's – kling klang – ums Besinnliche. Die Zahl der Kirchenaustritte geht alljährlich im Dezember stark zurück – wenn Weihnachten vor der Tür steht, hält's der Deutsche plötzlich wieder mit der Religion, an den Feiertagen haben die Kirchen volles Haus. Mehr noch als die großen Kaufhäuser, die mit dem Weihnachtsgeschäft einen Großteil des Jahresumsatzes einfahren, sind die Kirchen vom Weihnachtsboom abhängig. Diese wenigen Wochen aber reichen, um den Ruf der Kirche als spirituellen Dienstleister zu sichern und die Steuermilliarden zu legitimieren. Ohne die saisonale Nachfrage im Dezember wäre der Ganzjahresbetrieb wahrscheinlich schon längst nicht mehr aufrechtzuerhalten.

Daß das einst umfassende Glaubensgeschäft mittlerweile nur noch in einer Nische überlebt, werden die Kirchenoberen zwar nicht gern zugeben, de facto aber sehen sie sich schon intensiv um, wo neue Märkte zu erschließen sind. Das beste Beispiel lieferte der Papst, als er auf Dienstreise in Benin Anfang des Jahres von einer Prozession ekstatischer Tänzerinnen und Voodoo-Priester begrüßt wurde: Er hieß sie in der katholischen Kirche willkommen. Seine Vorgänger vor dreihundert Jahren hätten diese Heiden noch stehenden Fußes aufgeschlitzt – mittlerweile aber scheint der Heidenspaß dringend erforderlich, um die erstarrten Rituale der Christenheit wieder etwas auf Trab zu bringen.

Die Monopolisierung des Götterwesens vor gut 2.500 Jahren war die größte Rationalisierungsmaßnahme der Menschheitsgeschichte. Während es zuvor in jedem Busch und jedem Baum vor göttlichen Wesen wimmelte, jede Pflanze eine Seele, jedes Tier einen Geist hatte und die lokalen Götter in verschiedensten Sprachen redeten, sprach der von Juden, Christen und Moslems verfochtene Zentralgott nur noch mit einer Stimme. Wie jeder Zentralismus brachte auch dieser allererste ganz gewaltige organisatorische Vorteile mit sich und neigte auf Dauer zur Verkrustung und Erstarrung.

Und so geht es mit der Macht der Kirchen seit dem Mittelalter langsam, aber stetig bergab. Bis hinunter zur IG Stille Nacht, dem Chill Out nach der Konsum- Trance des Weihnachtsgeschäfts. Mehr als ein bißchen Weihrauch für die einkaufsgestreßten Schäfchen haben die selbsternannten Stellvertreter Gottes heute nicht mehr zu bieten – und entsprechend dürftig fällt die „Besinnung“ aus, die den leeren Seelen und den verspannten Körpern an Weihnachten zuteil wird. Von „Voodoo“, von kollektiver Feier des Natürlichen, des Körperlichen, des Menschlichen – keine Spur. Gejodelt wird bei Kirchens nach wie vor allenfalls unter der Soutane.

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