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■ Inoffizielle Mitarbeiter siegen vor GerichtVerkehrte Welten

Man muß die Rechtsprechung des Oberlandesgerichtes Naumburg nur richtig lesen: Angesichts der Konsolidierung der politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse in den neuen Bundesländern und des nunmehr erreichten Kenntnisstandes über das Stasi- System bestehe heute „kein Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit mehr für eine derartige unspezifizierte öffentliche Benennung früherer IM“. Das heißt mit anderen Worten, macht endlich Schluß mit der Vergangenheitsbewältigung, hört auf, frühere Spitzel der Stasi als das zu benennen, was sie vor vier Jahren noch waren. Das drückt sich auch in der Argumentationslinie aus, wonach die Persönlichkeitsrechte früherer Inoffizieller Mitarbeiter der Staatssicherheit Vorrang haben müßten. Weil diese durch die Nennung ihrer früheren Stasi-Tätigkeit „der Gefahr ungerechtfertigter beruflicher oder gesellschaftlicher Benachteiligungen ausgesetzt werden“, wird also mit Strafe bedroht, wer das konspirative Vorleben seiner MitbürgerInnen offenlegen will. Verkehrte Welten.

Die befürchtete Hetzjagd auf die einstigen Stasi- Spitzel hat es in Halle nach der Veröffentlichung der Liste im Sommer 1992 nicht gegeben. Von den rund viereinhalbtausend Personen aus Halle und Umgebung, die auf der anonym verschickten Liste als ehemalige IM bezeichnet werden, haben sich dann auch ganze dreizehn entschlossen, das Neue Forum wegen der Listenauslegung zu verklagen. Alle gaben dafür in eidesstattlichen Erklärungen zu Protokoll, zu keiner Zeit Kontakte zur Stasi gehabt zu haben. In all diesen Fällen haben die Recherchen der Gauck-Behörde dann aber doch die Registrierung bestätigt. Sie haben, damit ihr jeweiliger Name auf der Liste geschwärzt wird, eine Falschaussage gemacht.

Daß das Gericht nun, ohne den Wahrheitsgehalt des Stasi-Vorwurfs überhaupt zu prüfen, kein „Informationsbedürfnis“ der Öffentlichkeit erkennen will, muß denen recht geben, die sich mit einer kleinen Lüge von ihrer Vergangenheit verabschieden wollen. Das Urteil aus Naumburg muß geradezu als Aufforderung verstanden werden, eine mögliche frühere Stasi-Tätigkeit zu leugnen. Sollte jemand dann an der Lebenslüge kratzen wollen, den wird ein Gericht schon daran hindern. Tolles Rechtsempfinden. Und Wasser auf die Mühlen derer, die die Stasi-Akten am liebsten in Rauch aufgehen sähen. Wolfgang Gast

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