: Waldberg bald frei?
■ Journalist soll begnadigt werden
Berlin (taz) – Psychisch gestört, aber frei. Diese neue Perspektive tut sich für den seit über einem Jahr in der Türkei inhaftierten deutschen Journalisten Stephan Waldberg auf. Nach einem Bericht der türkischen Nachrichtenagentur „anadolu“ soll das gerichtsmedizinische Institut in Istanbul dem Endzwanziger aus dem badischen Waldkirch eine „chronische Psychose“ bescheinigt haben. Diese Diagnose könnte ausreichen, damit der türkische Staatspräsident Süleyman Demirel eine Begnadigung unterschreibt.
Die Tageszeitung Milliyet hatte bereits am Freitag unter Berufung auf türkische Regierungskreise von einer bevorstehenden Freilassung Waldbergs berichtet. Unter der Überschrift „Eine Amnestiegeste für Bonn“ schrieb das Blatt, so solle das von Bonn verhängte Verbot der „Arbeiterpartei Kurdistans“ (PKK) belohnt werden.
Waldberg war wegen „Kuriertätigkeit für die PKK“ in der Türkei letztinstanzlich zu drei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt worden. Vorgeworfen wurde ihm eine Recherchereise zu PKK-Lagern im Norden des Irak. Waldberg war am 22. Oktober 1992 auf der Rückreise an der türkischen Grenze verhaftet worden. Seine Verwandten in Deutschland und Kollegen des alternativen Freiburger Senders „Radio Dreyeckland“ berichteten schon bald, daß er in der Polizeihaft gefoltert wurde. Das Auswärtige Amt ging diesen Vorwürfen nur sehr zögerlich nach.
Ungenügend ist nach Ansicht des „Freundeskreises von Stephan Waldberg“ der gesamte Einsatz der deutschen Diplomatie. Der Freundeskreis vergleicht die erfolglosen Versuche Bonns mit der britischen Diplomatie. Dem Foreign Office gelang es Anfang dieses Jahres, einen britischen Journalisten, der mit identischen Vorwürfen wie Waldberg in türkische Polizeihaft geriet, nach nur wenigen Tagen freizubekommen.
Waldberg selbst hatte im August ein Gnadengesuch aus gesundheitlichen Gründen an den türkischen Staatspräsidenten gerichtet. Nach türkischen Gesetzen war das die letzte verbliebene Möglichkeit, vorzeitig entlassen zu werden. Daß er jetzt psychiatrisiert wird, findet Christian Moeller „ein bissel unerhört“. Mit dieser Diagnose, so Moeller, solle kritischer Journalismus in Kurdistan als „pathologisch“ diskreditiert werden.
Das Auswärtige Amt setzt seit langem auf die „gesundheitliche Prüfung“. SprecherInnen betonen, es sei alles nur Mögliche getan worden, um Waldberg freizubekommen – Bundeskanzler Kohl persönlich habe seine Kollegin Ciller darum gebeten. Zu der jetzt angeblich bevorstehenden Freilassung aus psychiatrischer Indikation hüllt sich das Auswärtige Amt in Schweigen. Dorothea Hahn
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