: Journalist sollte spionieren
Der Bundesnachrichtendienst wollte einen Bonner Radioreporter für Spitzeldienste einspannen / Mögliches Zielobjekt war das taz-Büro / Pullacher Geheimdienst hält sich bedeckt ■ Aus Bonn Hans Monath
Der Mann sah aus wie ein Yuppie und wollte einen Spitzel anwerben. An einem Samstag Anfang Dezember stand er unangemeldet vor der Privatwohnung des Bonner Journalisten Christoph Heinzle und wies sich als „Kay Römer“ vom Bundesnachrichtendienst (BND) aus. Den 25jährigen Politikstudenten und Reporter des privaten Hörfunksenders „Radioropa“ forderte der BND-Mann auf, dem Geheimdienst „Informationen über das Ausland“ zu liefern. Heinzle aber wollte sich für Spitzeldienste nicht hergeben und suchte die Öffentlichkeit. Jetzt soll sich die Parlamentarische Kontrollkommission (PKK) mit dem plumpen Anwerbungsversuch beschäftigen. Zwar gibt es kein Gesetz, daß dem BND die Rekrutierung von Journalisten verbietet. Wie der SPD-Innenpolitiker Winfried Penner dem Stern sagte, gibt es aber einen Konsens, „daß so etwas nicht geht“.
Schon zwei Tage vor dem Besuch hatte ein Unbekannter telefonisch um einen privaten Termin mit Heinzle gebeten, ohne sein Anliegen zu nennen. Am Wochenende stand der Anrufer dann vor der Tür. Die Angaben im Dienstausweis des Fremden überprüfte Heinzle mit einem Anruf in Pullach. Von dort kam prompt die Bestätigung: „Kay Römer“ war BND-Mann. Offiziell ist der BND nur für die Auslandsaufklärung zuständig. Sein Interesse begründete der BND-Werber gegenüber Heinzle denn auch mit dessen angeblich existierenden „guten Auslandskontakten“. Tatsächlich berichtet Heinzle fast ausschließlich über Innenpolitik und reist nur im Urlaub ins Ausland. Auch das Versprechen einer „Aufwandsentschädigung“ beeindruckte den Journalisten nicht: Er lehnte die Zusammenarbeit ab. Der Besucher verabschiedete sich nach einer halben Stunde mit der Aufforderung, das Gespräch vertraulich zu behandeln: „Auch zu ihrem eigenen Schutz.“ Unklar ist, warum die Geheimdienstleute ausgerechnet auf Heinzle verfielen. Studenten hätten gegenüber einem BND- Mitarbeiter den Namen ihres Kommilitonen Steinle genannt, behauptete der Werber. Geheimdienst-Experten aber verweisen darauf, daß der BND vor einem Anwerbungsversuch das Umfeld eines potentiellen Spitzels gründlich abklärt.
Die Korrespondenten von „Radioropa“ arbeiten in einer Bürogemeinschaft mit den Journalisten der taz in einem Haus im Bonner Regierungsviertel. Möglicherweise war gerade diese enge Nachbarschaft für die Pullacher Späher interessant. Im dem Büro geht auch der Basler taz-Mitarbeiter Thomas Scheuer ein und aus. Er gilt als Geheimdienstexperte und hat den BND häufig mit gut recherchierten Berichten geärgert. Woher Scheuer seine Informationen bezieht, ist den Pullachern nicht gleichgültig. Erst kürzlich war der taz-Mitarbeiter von einem Bundestagsabgeordneten gewarnt worden: „Die haben Sie auf dem Kieker.“
Der Geheimdienst selbst lehnt jede Stellungnahme zu dem Anwerbungsversuch ab. Über den Inhalt der operativen Arbeit gebe der Dienst grundsätzlich keine Auskunft, sagte ein BND-Sprecher.
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