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„Grenzenloser Haß, bis mein Kopf gerollt ist“

■ Klaus-Henning Hübener, der suspendierte Leiter der UKE-Strahlentherapie, im Gespräch

Patienteninitiative: Wie gehen Sie mit der gegenwärtigen Situation der Arbeitslosigkeit um?

Hübener: Im Moment habe ich noch viel zu tun, weil ich Juristen und anderen deutlich machen muß, um was es eigentlich geht. Außerdem kann ich mich um meinen achtjährigen Sohn kümmern, so daß im Moment noch keine Vakua entstanden sind, die mich depressiv in der Ecke sitzen lassen. Aber diese Phasen kommen natürlich immer wieder. Ich bin sehr mit Metaphysik beschäftigt, mit positivem Denken. Ich bete jeden Abend. Das hat nicht unbedingt mit dem lieben Gott zu tun, sondern damit, daß man so eine Menge für sich selbst und andere bewerkstelligen kann. Da schließe ich durchaus die Patienten ein und diejenigen, die sich als kritische UKE-Mitarbeiter mir gegenüber nicht gerade freundlich verhalten. Ich habe da keinen Haß, nur manchmal sehr viel Unverständnis für das, was publik gemacht wird, ohne die andere Seite zu hören (...).

Sie sprechen (bei den Darmkrebspatienten, die Red.) von drei Prozent Nebenwirkungen. Bisher ist aber veröffentlicht worden, daß schwere Nebenwirkungen bei 42 Prozent der Patienten mit Rektumkarzinomen aufgetreten sind. Bei den Prostatapatienten kennen wir den Prozentsatz noch nicht.

Was die Prostatakarzinome anbelangt, da ist der Zeitraum von 1986 bis 1990 vollkommen willkürlich, weil wir da immer nach internationalen Kriterien therapiert haben. Wir haben zwar die Methode in den Jahren bis heute weiter verfeinert, aber wir haben uns nach Standardmethoden gerichtet. Beim Rektumkarzinom war das seinerzeit sicher nicht so. Da gab es keine eindeutige Standardprozedur. Und das, was jetzt erkennbar ist, daß wir ein hohes Maß an Nebenwirkungen haben, das ist natürlich das Bedrückende, auch für mich. Das haben wir in dem Maße nicht erwartet.

Sie sagen, was Sie heute wissen, ist für Sie bedrückend. Warum haben Sie das vorher nicht gewußt?

Weil wir es so nicht erwartet haben.

Sie sagen, daß Sie eine höhere Erfolgsrate haben. Wieso haben Sie nicht überprüft, ob das wirklich so war?

Ich muß eine persönliche Anmerkung machen. Mein Bruder ist 1982 an einem nicht operablen Rektumkarzinom als einziges Geschwister mit 42 Jahren erkrankt und zwei Jahre später an dieser Erkrankung gestorben. (...) Aus dieser persönlichen Erfahrung (...), habe ich seit 1982 ganz intensiv und weltweit nach allen Möglichkeiten gesucht und geschaut, was wo gemacht wird.(...) Als ich 1986 nach Hamburg kam, war gerade im Ärzteblatt und 1985 im Zentralbaltt für Chirurgie über eine schon acht Jahre laufende Studie berichtet worden. (...)

Die Komplikationen, die dort niedergelegt sind, sind sechs Prozent Letalität, das heißt, es sind sechs Prozent im Umfeld der Behandlung gestorben. Es sind 13 Prozent schwere Nebenwirkungen aufgetreten und 25 Prozent leichte Nebenwirkungen. (...) Und das sind Zahlen, wie wir sie jetzt auch berichtet haben.

Aber Sie haben die Patienten nicht systematisch nachuntersucht.

Das ist ein wirklich riesiges politisches Problem.(...) Wir können die Leute einbestellen, aber sie kommen nicht und werden auch nicht geschickt. Die niedergelassenen Kollegen haben eine starke politische Tendenz, die Nachsorge in ihren Händen zu bewahren. Die Strahlenthearpie ist ja immer nur auf Zuweisung tätig.

Hat man in Ihrem Beruf einen Machbarkeitswahn?

Es ist schon so, daß man sich, wenn die Dinge so geworden sind, fragt: War das korrekt? Und wenn ein Patient sagt, ich wäre lieber tot als so zu leiden, dann kann man das verstehen. Und wenn ich das Leid so sehe, leide ich auch mit, ehrlich und ernstlich.(...)

Ihr persönlicher Verlust an ärztlicher Glaubwürdigeit ist sicher nicht nur auf ihre berufliche Tätigkeit zurückzuführen, sondern auch darauf, daß die Medien Persönliches berichten.

Alles das interpretiere ich als Ausdruck des Hasses in Deutschland 1993. (...) Ich bin heute grundsätzlich der Schlechte, der seine Leute unterdrückt. Das ist grotesk, weil ich keinen solchen Charakter habe. Hier wird mit einer zum Teil wirklich üblen Methode versucht, meine Basis, meine Karriere, meine Familie zu vernichten.

Was löst solche Reaktionen aus?

Das ist der Haß.

Auf Sie?

Ja. Ich bin für alles, was diese Leute bedrückt, verantwortlich. (...) Das ist heute der Umgang von Menschen, die es verlernt haben, Probleme auf eine vernünftige Art zu lösen. Das ist ein grenzenloser Haß, der keine Ruhe gibt, bis mein Kopf gerollt ist.

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