: Die Bürgschaft kommt, weil Weiland weicht
■ Hamburger Stahlwerke: Staatliche Kreditmillionen für ein Faß ohne Boden
Es war seine erste offizielle Amtshandlung. Gestern gab Hamburgs neuer Wirtschaftssenator Erhard Rittershaus bekannt, daß der SPD-Bürgerschaftler Gerd Weiland, der über eine Zwischengesellschaft 50 Prozent an den Hamburger Stahlwerken (HSW) hält, dort schon zum Jahresende seinen Hut nimmt. Damit ist der letzte Stolperstein für eine weihnachtliche Bescherung der besonderen Art aus dem Wege geräumt. Heute wird – aller Voraussicht nach – die Hamburger Kreditkommission den seit Jahren kränkelnden Stahlwerken eine Bürgschaft in Höhe von rund 24 Millionen Mark spendieren, um deren drohenden Konkurs zumindest zu verzögern.
Nach Informationen des HSW-Betriebsratsvorsitzenden Heinrich Schwantes war die Bürgschaftszusage an den Abtritt Weilands gekoppelt, dessen Doppelfunktion als HSW-Geschäftsführer und Vorsitzender des bürgerschaftlichen Haushaltsausschusses zunehmend ins Kreuzfeuer der Kritik geriet. Der doppelte Weiland wurde laut Schwantes zunehmend zu einer „Belastung für das Unternehmen“, aber auch für seine Partei. Am Dienstag akzeptierte dann der neugewählte Senat das von Rittershaus vorgetragene Entsorgungskonzept für das Filz-Paradebeispiel. Tenor: Die Bürgschaft kommt, wenn Weiland geht.
Die HSW-Anteile Weilands übernimmt nun der bisherige Mitgesellschafter Wolf-Dietrich Grosse, der damit Alleinbesitzer des Unternehmens wird. Die Stahlwerke aber können durch die Millionenbürgschaft im besten Falle noch einmal tief Luft holen, bevor ihnen endgültig der Atem ausgeht.
Fast auf den Tag genau vor einem Jahr mußte die Kreditkommission schon einmal eine Bürgschaft in vergleichbarer Größenordnung absegnen, damit die stadteigene Landesbank den damaligen Kreditrahmen von 130 auf 150 Millionen Mark erhöhte.
Nach „kaufmännischer Bewertung ist die Gewährung der Erhöhung nicht zu vertreten“, hieß es damals in einem vertraulichen Bericht an die Kreditkommission. Durch die neuerliche Bürgschaft soll der Kreditrahmen nun sogar auf 174 Millionen Mark anwachsen.
Ein Faß ohne Boden: Denn obwohl der Umsatz von gut 420 Millionen Mark gehalten werden konnte, trotz Krediterhöhung und des Abbaus von über 100 Arbeitsplätzen, fuhr das Unternehmen im laufenden Jahr erneut 15 Millionen Mark Miese ein. Die Hamburger Stahlproduzenten sind auf dem von Dumping-Preisen gekennzeichneten Markt schlicht nicht konkurrenzfähig – und werden es auf absehbare Zeit auch nicht werden.
Prophezeite Betriebsrat Heinrich Schwantes vor einem Jahr noch, die Stahlwerke würden „ab Sommer 1994 schwarze Zahlen“ schreiben, rechnet der neue Alleineigner Grosse auch für das kommende Jahr mit „Verlusten in Millionenhöhe“.
Und selbst Schwantes redet heute nicht mehr davon, daß mit den Zusatzkrediten das Werk in die Gewinnzone geschoben werden könnte. Statt dessen gehe es nur noch um den Erhalt der knapp 800 Arbeitsplätze im Stahlwerk und weitere 1400 Jobs in der Zulieferindustrie. Der Betriebsratsvorsitzende: „Ein Zuschuß ist billiger, als die Arnbeitslosigkeit zu finanzieren“.
Marco Carini
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