Der Renner: Schlafzimmer

■ Das etwas andere Möbelhaus: Möbellager für SozialhilfeempfängerInnen

Warm steht die Luft in dem kleinen Warteraum. An der Wand ein gesticktes Alpenpanorama. Darunter die Menschen verkrochen in ihre Mäntel wie in Schlafsäcke. Manche haben die ganze Nacht draußen im Auto verbracht, bis um 7.15 der Warteraum des Möbellagers vom Martinshof (Werkstatt Bremen) geöffnet wurde und sie sich Nummern ziehen konnten.

Der Glückliche mit der Nummer 1, ein aus Rußland Eingewanderter, war schon um 23 Uhr hier. Der junge Kosovo-Albaner aus Blumenthal, der nach einer Reise durch die ganze Stadt um 6 Uhr in der Diedrich- Wilkens-Straße in Hemelingen eintraf, hat nur noch die Nummer 15 abbekommen. Er blickt auf seine Cowboystiefel runter: „Über ,A bis Z' findet man bald leichter was bei den geschenkten Sachen als hier“, sagt er leise. In der Hand hat er einen Berechtigungsschein vom Amt für Soziale Dienste: „1 Couchgarnitur, zwei Nachtschränkchen, 1 Schlafzimmerschrank, 1 Regal ...“ Vor vier Wochen ist er Vater geworden. In der Wohnung steht bislang fast nur ein Kinderbett.

Im Möbellager der Werkstatt Bremen können sich SozialhilfeempfängerInnen an zwei Tagen in der Woche Möbel aussuchen, die von anderen BremerInnen gespendet wurden. Manchmal kommen bis zu 70 Leute, viele ausländischer Herkunft, manche haftentlassen. Die meisten brauchen komplette Wohnungseinrichtungen. Doch gerade vor Weihnachten kommt wenig rein an Spenden. Im Sommer rufen die meisten SpenderInnen an, doch das Lager ist begrenzt. Nächstes Jahr soll einiges anders werden: ein Anbau ans Lager, Möbelvergabe an vier Tagen, eine kleine Cafeterie für die Wartenden ...

Auf den ersten Blick sieht das Möbellager wie das eines beliebigen Möbelcenters aus: links die Couchgarnituren, rechts die Ehebetten, dazwischen Küchentische und Hocker aus der werkstatteigenen Herstellung, hinten links Schlafzimmer und Wohnzimmerschränke. Doch die Preisschilder fehlen und die stimmungsvolle Beleuchtung. Und die „Verkäufer“ sagen Sätze wie: „Die Garnitur ist zwar stark verschmutzt, aber das kann man selber wieder sauber kriegen.“

Als erster wird der russische Einwanderer hereingeführt. Nach einer Minute hat er sich für einen Wohnzimmerschrank entschieden, nach einer weiteren für eine Couchgarnitur - er konnte die Couch sogar noch farblich passend zum Schrankfurnier wählen. Hinter ihm steht bereits Nummer 2, prüft ebenfalls schon Couchfedern und Türscharniere. Nummer 4, ein junges Paar aus dem Libanon, schnappt sich sofort ein geblümtes Sofa mit Troddeln und Messingknöpfen. Schon morgen mittag wird es ihnen per Lkw ins Haus geliefert. Ansonsten jedoch sagt der junge Libanese, während er zwischen den Möbeln hin und herrennt, nur „Scheiße“: Der Couchtisch, der eigentlich gefiele, hat Zigarettenbrandstellen, und das schön geschnitzte Holzbett ist ihm sowieso zu altmodisch. „Ja, die Möbel sollen unbedingt modern wirken, wenn schon nicht neu“, sagt einer der Vorführer. Eigens für Leute aus dem „Viertel“ holt das Möbellager allerdings auch altmodische Küchenbuffets ab; die werden von allen anderen gnadenlos ignoriert.

Wer nichts findet, muß sich einen neuen Schein vom Sozialamt holen. Nur wenn das Möbellager bestätigt, daß ein bestimmtes Möbel nicht vorrätig und auch absehbar nicht zu beschaffen ist, werden angemessene Mittel für den freien Markt bewilligt - aber wiederum nur für Gebrauchtmöbel. Kostenlos ist der „Möbelkauf“ aber auch bei der Werkstatt Bremen nicht - jedenfalls nicht fürs Sozialamt: Die Werkstatt Bremen bekommt die Transport- und Lagerkosten ersetzt; bei anderen Möbellagern wie dem des Arbeitslosenzentrums in Bremen Nord und dem der Guttempler zahlt das Amt auch für die Möbel selbst.

Begehrt sind Schlafzimmer, Wohnzimmerschränke und Couchgarnituren sind - Nachtschränkchen dagegen stehen oft wochenlang. Auch einzelne Sessel sind eher Ladenhüter. Gardinen, Radios, Geschirrteile bekommt man übrigens ohne Berechtigungsschein.

Endlich ist auch Nummer 15, der junge Kosovo-Albaner, dran. Ratlos stiefelt er zwischen all den 60erJahre-Ehebetten herum. Außer einem völlig schmucklosen dunkelbraunen ist alles schon weg. Nach ihm kommen an diesem Tag noch rund 30 InteressentInnen für Betten und Schlafzimmerschränke. Nach einigem Haareraufen nickt der 21jährige dem Vorführer ein Ja zu. „Gerne kommen die nicht herher“, sagt der Vorführer hinterher, „die nehmen weil sie nehmen müssen“. Er ist selbst Sozialhilfeempfänger, beschäftigt über BSHG.

Daß SozialhilfeempfängerInnen Ansprüche haben, leuchtet am wenigsten den SpenderInnen ein: „Die Couch ist 20 Jahre lang für uns gut genug gewesen, warum soll sie für die Armen nun nicht gut genug sein“, sagen sie, wenn der Spediteur das gute Stück nicht mitnehmen will. Und erst recht kein Verständnis haben die SpenderInnen, wenn ihre Matrazen nicht mitgenommen werden. Aber Anspruch auf eine neue Matraze hat noch jeder. Christine Holch