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Im Fegefeuer der Bewegungsmelder

■ Auf den letzten Drücker: die No-gift-list gegen folgenschwere last-minute- Einkäufe

Sollen wir glauben, was Wirtschaftsforschungsinstitute herausgefunden haben und was im eifrig nickenden Bekanntenkreis bestätigt wird? Es soll nämlich immer mehr aufgeklärte Dummbeutel und wandernde Armutszeugnisse, verkommene Platzbuttergesichter und verknöcherte Pottsäue geben, die sich zu Weihnachten nichts mehr schenken. Eine Untergruppe dieser erbärmlichen Spezies verzichtet aufs Schenken, um für einen guten Zweck zu spenden. Sind diese Heiligen aus der Schußlinie? Nein! Das ist, als würde man aufs Atmen verzichten, um Luft für die Notbeatmung zu haben. Diese gewagte Analogie führt uns zum eigentlichen Kern des Schenkproblems, dem schlechten Geschenk.

Es gibt wenige Ausnahmen von dem Satz There's no bad gift but no gift, aber einige. Etwa acht. Erstens das weiße T-Shirt. Extrapoliert man die nach unten offene textile Widerlichkeitsskala jenseits von weißen Herrenbaumwollsocken, landet man beim weißen T-Shirt, wie es aus dem Hemd- oder Pulloverkragen lugt und doch nur für Einnässer und Heiratsschwindler erfunden wurde. Finger weg!

Zweitens: Bücher. Aber zunächst ein kleiner Exkurs.

KLEINER EXKURS

Es gibt beim Menschen eine auf den ersten Blick überraschende physiologische oder psychologische Unfähigkeit, geliehene Bücher zurückzugeben. Kaum sind zwei Seiten des geliehenen Buches gelesen, stellt man's ins Regal und vergißt es, sprich: man schlägt es seinem Buchbestand zu. Der Begriff „geliehenes Buch“ ist insofern obsolet, als die Rückgabe unausgesprochen ausgeschlossen ist und im Ernst auch nicht vom Verleiher angenommen wird. Kleinkarierte, unerlöste und gepanzerte Charaktermasken dringen von Zeit zu Zeit in fremde Wohnungen ein, um fremde Regale nach vermeintlich Eigenem zu durchstöbern. Doch es gibt kein Eigentum am Buch. Deshalb gibt es beim Bücherdiebstahl kein Unrechtsbewußtsein. Und deshalb (hier endet der Exkurs) ...

HIER ENDET DER EXKURS

... und deshalb kann man auch Bücher nicht verschenken, denn in unserer Rechtsordnung setzt der Schenkungsbegriff den des Eigentums voraus.

Und wenn er für 35 Mark zu kriegen ist. Und wenn er für 20 Mark zu kriegen ist. Und wenn er mit Postwurfsendung gratis kommt. Zurückzuweisen in alle Ewigkeit ist der Bewegungsmelder! Im Wörterbuch der stiernackigen deutschen Schweinebackensprache steht der Bewegungsmelder vor „Blockwart“ und hinter „Bratensud“ (nicht mal das Alphabet können sie!). Der Bewegungsmelder evoziert den Kradmelder, der den Feuermelder, der den Feuerlöscher, der den Durstlöscher und der den Schlüpferstürmer, womit auf dem Konnotationsfeld alles klar ist. Auf allen anderen Feldern ist alles klar, wenn man nächtlings durchs Fesenfeld und alle anderen Viertelstraßen traumbummelnd stolpert und erkennen muß: Die Vorboten des Fegefeuers mehren sich. Und wir Traumbummler ziehen eine vieltausend-Watt- Schleppe hinter uns her. Merke: Bewegungsmelder melden Totenstarre und kennzeichnen einen der vielen Irrwege der Aufklärung.

Neu ist die Dezimaluhr, die interessierte Kreise auf dem Chronometermark puschen wie verrückt. Die Stunde a hundert Minuten, diese a hundert Sekunden, der Tag hat zehn Stunden, das klingt frech, das klingt modern, also Finger weg und lieber nach einer der raren Armbandsonnenuhren suchen!

Fünftens, sechstens und letztens ist ultimativ zu verzichten auf Geschirrspülmaschinen und Koffer mit Röllchen drunter. Beide führen den Menschen von seinen Ursprüngen fort, machen ihn zum Sklaven seiner Krücken und killen Jobs. Schaut man Benutzern dieser nichtswürdigen, als Errungenschaft allerdings fragwürdigen Dinge ins Gesicht, bemerkt man etwas verhuschtes, depraviertes, restringiertes und hermeneutisches. Pfui Spinne, möchte man da rufen, sowas zum Weihnachtsfest: niemals!

Burkhard Straßmann

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