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Frauenhandel: Schlimmer als Viehtreiber

■ Ex-Jugoslawen sollen Tschechinnen zur Prostitution gezwungen haben / Prozeß am Landgericht

Zu einem guten Preis eingekauft, über die Grenze geschmuggelt, mißhandelt, bedroht, vergewaltigt und weiterverkauft – schlimmer als eine Ladung Vieh sollen zwei Ex- Jugoslawen und zwei Deutsche Frauen aus der ehemaligen Tschechoslowakei behandelt haben. Seit gestern müssen die vier sich u.a. wegen Menschenhandels vor der Großen Strafkammer des Bremer Landgerichts verantworten. In den Deal mit vier Frauen, die zur Prostitution gezwungen wurden und im Laufe des Prozesses noch aussagen werden, sind neben einer Wohnung in Bremen ein Berliner Callgirlring und eine Bar in Hamburg verwickelt. Für den Prozeß ist eine ganze Advokatenschar aufgelaufen: Acht Rechtsanwälte verteidigen die 27 bis 42 Jahre alten Männer. Verhandlungstermine sind bis zum Mai nächsten Jahres angesetzt.

Laut Anklageschrift haben die beiden in Serbien geborenen Männer, Slavisa S. und Hasan A., Ende 1992 zwei Frauen von Zuhälterinnen in der Tschechei gekauft, über die Grenze geschmuggelt und in einer Hamburger Bar gewaltsam zur Prostitution gezwungen. Eine der Frauen sei geschlagen worden, da sie sexuelle Handlungen an einem der Angeklagten verweigerte, wurde jedoch dann im Beisein des anderen dazu gezwungen. Die beiden Frauen wurden schließlich an zwei andere Ex-Jugoslawen in Berlin verkauft, die dort einen Callgirl- Ring betrieben. Zwei weiteren Frauen, die in der Tschechei noch nicht der Prostitution nachgingen, soll Hasan A. Anfang 1993 Arbeit in Deutschland versprochen haben. Nachdem sie zu Fuß über die Grenze nach Deutschland geschmuggelt worden waren, soll er ihnen die Pässe abgenommen und sie ebenfalls zur Prostitution gezwungen haben. Mehrfach wurden die Frauen schwer mißhandelt; als eine von ihnen in die Tschechei flüchten wollte, soll Slavisa S. ihr eine Waffe an den Kopf gehalten und damit gedroht haben, sie zu erschießen, weil sie „Ärger machte“.

Die beiden Ex-Jugoslawen gaben zwei der Frauen später an den dritten Angeklagten Harry Sch. weiter, und der schließlich an Martin H. in Bremen. Dieser stellte seine Wohnung in Schwachhausen zur Verfügung, soll Kondome besorgt und pro Freier 50 von 150 Mark kassiert haben.

Die beiden Ex-Jugoslawen, deren Ehefrauen gestern im Gerichtssaal anwesend waren, fungierten die ganze Zeit als prügelnde Aufpasser: Sie sollen von Hamburg aus sowohl nach Bremen als auch nach Berlin gereist sein, wenn es „Schwierigkeiten“ gab und die Frauen „diszipiniert“ werden mußten. Dabei wurden die Frauen laut Staatsanwaltschaft auch von den Angeklagten immer wieder sexuell genötigt. Ohne Sprachkenntnisse und ohne Pässe seien sie den Männern hilflos ausgeliefert gewesen.

Die Angeklagten, die sich zum Teil seit neun Monaten in Untersuchungshaft befinden, verweigerten zu Prozeßbeginn jegliche Aussage. Ihre acht Verteidiger fuhren dagegen eine aus dem Betrugsprozeß gegen den Warenterminhändler Volker Brüggemann bekannte Taktik: Sie beantragten Aussetzung des Verfahrens, da die beisitzende Richterin Segond Beamtin auf Probe sei. Beim Brüggemann-Prozeß wurde gegen eine Richterin im selben Status ein Befangenheits-Antrag gestellt. Der Vorsitzende Richter Werner Oetken lehnte eine Aussetzung ab, dennoch ist nach der Rüge über die Besetzung des Gerichts ein solcher Befangenheitsantrag wohl noch zu erwarten.

Für ihre Aussage sollen die vier Opfer, die mittlerweile wieder nach Hause zurückkehren konnten, aus der Republik Tschechien nach Bremen geholt werden.

Susanne Kaiser

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