: Unterkunft und Essen verweigert
■ 400 eritreische Flüchtlinge in Schweden wissen nicht wohin / Regierungen von Eritrea und Äthiopien weigern sich, sie wieder aufzunehmen / Schweden will sie loswerden und stellt Unterstützungen ein
Stockholm (taz) – Eine böse Weihnachtsüberraschung bescherte Schwedens Ausländerbehörde 400 eritreischen Flüchtlingen: sie müssen die Flüchtlingsunterkünfte verlassen, bekommen kein Essen und keine Sozialhilfe mehr. Auf den ersten Blick ist dies unmenschliche Vorgehen sogar legal. Weil rechtskräftig entschieden ist, daß sie aufgrund der politischen Veränderungen in Eritrea keinen Flüchtlingsstatus mehr haben, müßten sie Schweden verlassen. Tun es aber nicht. Zwar würden sie lieber heute als morgen zurückkehren, aber weder Eritrea noch Äthiopien sind bereit, sie einreisen zu lassen.
Die Länder begründen ihre Weigerung, eigene Landsleute in ihre Heimat zurückkehren zu lassen, mit der ökonomischen Lage. Die eritreische Regierung hat Stockholm wissen lassen, man habe „keine Ressourcen“, frühere Flüchtlinge wieder ins Land zu lassen. Außerdem habe man noch nicht damit begonnen, eigene Pässe herauszugeben. Wie Björn- Gösta Sporrong, im schwedischen Außenministerium zuständiger Kanzleirat, berichtet, sind Eritrea und Äthiopien derzeit die weltweit einzigen Länder, die sich weigern, eigene Landsleute einreisen zu lassen: Das sei völlig unakzeptabel und verstoße auch gegen die UN- Menschenrechtskonvention.
Gegen diese dürfte allerdings auch Schwedens Ausländerbehörde mit ihrem jetzigen Schritt verstoßen. Marie Andersson, beim „Invandrarverket“ zuständig, sieht das ganz formal: „Sind sie abgelehnt, können wir sie nicht mehr versorgen.“ Daß die Flüchtlinge legal nicht in ihre Heimat zurückkönnten, sei nicht entscheidend. Offenbar rechnet man damit, daß die drastische Maßnahme der Streichung von Unterkunft und Geld die EritreerInnen veranlaßt, illegale Rückreisewege zu finden.
Innerhalb der Flüchtlingsfürsorge selbst wird die Vorgehensweise heftig kritisiert. Die Chefin einer mittelschwedischen Flüchtlingsunterkunft zur taz: „Wenn die Ernst machen, rufe ich ausländische Fernsehteams an. Dann gehen Weihnachten Bilder von frierend im Schnee sitzenden Flüchtlingen als Beispiel für Schwedens Flüchtlingsfürsorge um die Welt.“ Schwedens Entwicklungshilfeminister Alf Svensson hat mittlerweile angedeutet, Stockholm werde die Weiterführung von Entwicklungshilfe für Eritrea überprüfen, wenn das Land nicht umgehend seine Praxis gegenüber rückkehrwilligen Flüchtlingen ändern und diese aufnehmen werde. Reinhard Wolff
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen