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Obdachlose im 3-Sterne-Hotel

■ Das Hotel "Consul" überließ zu Weihnachten seine Zimmer 40 Obdachlosen - damit die auch mal sorgenfrei schlafen, sich lange duschen und im Warmen frühstücken konnten

Mitmenschlichkeit kann mitunter originell sein. Durch Medienberichte auf das Problem der Wohnungs- und Obdachlosigkeit aufmerksam geworden, entschloß sich der Direktor des Charlottenburger Hotels „Consul“, Jürgen Urban, seine über die Weihnachtsfeiertage meist leerstehenden Hotelzimmer Obdachlosen zur Verfügung zu stellen. Auf diese Weise sollten Menschen ohne feste Bleibe wenigstens einmal im Jahr komfortabel wohnen.

Die Idee war dem 36jährigen Manager bereits nach dem Einbruch der ersten Kältewelle im November gekommen. Von der Geschäftsleitung und dem Hotelbesitzer Abraham Rosenthal war der Vorschlag positiv aufgenommen worden. Mehr noch, der Hotelbesitzer gab bekannt, daß er sich angesichts der sozialen Not in Berlin besonders für die Benachteiligten und somit für mehr Toleranz in der Stadt einsetzen wolle. Jürgen Urban unterrichtete die Caritas und das Diakonische Werk von seinem Vorhaben.

„Die wollten mir zuerst gar nicht glauben“, erzählt er. Aber nachdem eine Mitarbeiterin des Diakonischen Werks sich von der Ernsthaftigkeit des Angebots überzeugt hatte, wählte sie 40 Wohnungs- und Obdachlose aus. Die 40 Berliner Obdachlosen, die an Heiligabend und an den beiden Feiertagen im „Consul“ übernachten durften, stammen aus der Massen-Notunterkunft in der Moabiter Turmstraße. Von Freitag bis Montag früh wurden die Gäste in bestens ausgestatteten Zimmern des Hotels untergebracht, konnten duschen und frühstücken. Die Lebensmittel kamen vom Hotelkoch, die Ausgabe und Verteilung hatte das Diakonische Werk organisiert.

Jürgen Urban war mit seinen Gästen zufrieden: „Wenn die Zimmer immer so aussehen würden wie die von den Wohnungslosen benutzten, wären unsere Zimmermädchen zufrieden. Ich wünschte, alle unsere Gäste wären so ordentlich.“

Ursprünglich hatte er Bedenken, daß möglicherweise die übrigen Geschäftspartner des 3-Sterne-Hotels Anstoß an dem Projekt nehmen würden. Doch das Gegenteil trat ein: Einige Kunden drückten per Telefax ihre Sympathie für diese mutige Idee aus.

Die Betroffenen aus der Notunterkunft würdigten ihr Geschenk indes nicht nur mit gesittetem Benehmen. „Die Leute haben sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten sogar schick angezogen“, erzählte Jürgen Urban gegenüber der taz. „Als ich sie hier heute morgen beim Frühstück sitzen sah, wirkten sie wie andere Gäste auch. Daß alles so glatt laufen würde, hatte ich nicht erwartet. Es wäre schön, wenn zukünftig auch andere Hotels unserem Beispiel folgen würden.“ Auf jeden Fall will er auch im nächsten Jahr wieder Obdachlose ins Hotel „Consul“ einladen. Peter Lerch

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