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Mord und Totschlag greifen immer mehr um sich

■ Innensenator Heckelmann verschweigt Verdoppelung von Kapitalverbrechen

Anfang vergangener Woche brüsteten sich Innensenator Dieter Heckelmann (CDU) und Polizeipräsident Hagen Saberschinsky voller Stolz damit, daß der Kriminalitätsanstieg in Berlin gestoppt sei. Wie sich jetzt herausstellte, haben die Herren in ihrer Auflistung der Straften allerdings eine Verbrechenskategorie vollkommen verschwiegen: die Kapitalverbrechen wie Mord und Totschlag. Wie die Morgenpost gestern unter Berufung auf eine vom Statistischen Landesamt für die Polizeiführung erstellte interne Untersuchung mitteilte, haben sich die Straftaten gegen das Leben 1993 im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt. Allein bis Ende November diesen Jahres seien 695 Menschen durch Mord, Totschlag, fahrlässige Tötung und Körperverletzung mit Todesfolge umgekommen. Das ist eine Steigerung von 113,8 Prozent im Vergleich zu den Monaten Januar bis November 1992.

Um so verwunderlicher, daß Heckelmann und Saberschinsky auf ihrer Pressekonferenz über die Kriminalitätsentwicklung in Berlin am vergangenen Montag kein Sterbenswörtchen zu diesem Themenkomplex anklingen ließen. Zur Erinnerung: Die beiden betonten ausdrücklich, daß sich die Lage in der Hauptstadt weitgehend stabilisiert habe, während im übrigen Deutschland ein „teilweise dramatischer Kriminalitätsanstieg“ zu beobachten gewesen sei. Als „bemerkenswert und für das künftige Sicherheitsempfinden der Bürger wichtig“ hatte Heckelmann den Rückgang der Straßenkriminalität bezeichnet. Die jetzt bekanntgewordenen Zahlen über die Entwicklung von Mord und Totschlag und die Aufklärungsrate lassen seine Worte jedoch in einem anderen Licht erscheinen.

Seit 1990 (146 Straftaten gegen das Leben) sind die Kaptialverbrechen stetig angestiegen. 1991 waren es 250 Todesopfer, 1992 bereits 373, und für dieses Jahr erwarten Kripoexperten laut Morgenpost sogar 750. Demgegenüber sei die Aufklärungsquote von 82 Prozent (1990) auf 53 (1993) gesunken.

Auch bei Vergewaltigungen habe die Polizei eine Zunahme von 20 Prozent verzeichnet. Das kann aber auch daran liegen, daß sich in diesem Jahr mehr Frauen getraut haben, eine Anzeige zu erstatten. Bis zum 30. November 1992 wurden 414 Taten bei den Polizeirevieren gemeldet, im Vergleichszeitraum diesen Jahres waren es 497. plu

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